Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in's sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 1)

Es zeigt sich auch in der Wissenschaft, die in der 
Kirche sogar erst hervorgerufen wurde dadurch, dass sie 
sich zu vertheidigen hatte gegen die Verfolgungen, und 
als sie die Angriffe heidnischer Wissenschaft abwohrte 
und erwiderte,  ein Kampf, der nicht minder lebhaft 
fortging, als von Seiten des Staats an die Stelle der Ver- 
folgung oder Duldung Schutz und Förderung getreten 
war. Und auch in der Kunst, von welcher die junge 
Kirche zuerst gar nichts wissen wollte.   
2. Das Verhaltniss des Christenthums zur Kunst er- 
klärt sich einestheils aus Gesetz und I-Ierkommen des 
Judenthums, wo der Kunstübung nur wenig Baum gelas- 
sen war und namentlich zur Kaiserzeit Maler und Bildhauer 
überall nicht zugelassen wurden. Diese Abneigung und 
Strenge ging auch auf die Christen über. Doch nicht bloss 
als eine jüdische Tradition, von der die Kirche sich auch 
nicht beherrschen liess,  sonst hätte doch nur der juden- 
christliche Theil derselben sie aufgenommen. Aber die 
Christen aus dem Heidenthum waren nicht weniger zu 
diesem Gegensatz hingedrängt. 
Das geschah durch den damaligen Zustand der antiken 
Kunst. Dieselbe war wesentlich heidnisch. Denn sie war 
erfüllt mit mythologischen Vorstellungen, deren die Kunst 
des Alterthums sich nirgends hätte erwehren können, da 
Natur und menschliches Leben, Geschichte und Gegenwart 
der Götter und Dämonen voll war. So waren diese nicht 
nur Gegenstand der höheren Aufgaben der Kunst, son- 
dern fanden überall auch für die Darstellung gewöhnlich- 
ster Scenen sich ein: denn Fluss und Berg und Baum 
hatten ihre Gottheiten, und Gottheiten walteten über Ge- 
hurt und Hochzeit und Tod und jede menschliche Be- 
sehäftigung. Obendrein war die damalige Kunst nicht 
mehr rein heidniseh; sondern bei dem Verfall der alten 
Religionen und der Auflösung der Gesellschaft, da mit
	        
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