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geneigt war, den christlichen Charakter der Kunst fest-
zuhalten, geringeres Bedenken obwalten, da man die
Wahl hatte, die Scenen des Heroenmythus als wirkliche
Geschichte (wofür freilich die ganze Götterfahel so lange
gegolten hatte) oder für Dichtung zu nehmen, ohne
mit dem christlichen oder vielmehr dem monotheistischen
Bewusstsein in Zwiespalt zu kommen. Man überschritt
allerdings das eigentliümliche Gebiet mittelalterlicher Kunst-
übung, indem man solche Stoffe zuliess: es lag darin eine
Erweiterung des Gesichtskreises; aber der Uebergang zur
modernen Kunst war hier minder schroff, als bei der
Einmischung der Götterfabel, es war doch kein Abfall
von der bisher befolgten Richtung.
1. Es erscheint als eine Vorstufe zu der Benutzung
des Heroenmythus als Geschichte, nach seiner Verknüpfung
mit christlichen Gegenständen, wie schon bei dem
typischen Gebrauch mythologischer Vorstellungen (oben
S. 92.) darauf hingewiesen ist, wenn geschichtliche Per-
sonen des klassischen Alterthums, Weise und Helden,
gleichsam in der Vorhalle der Geschichte der Offenbarung
vorgestellt werden.
Eine directe Beziehung auf das christliche Weltalter
hat die spätere byzantinische Kunst hellenischen Weisen
gegeben. Wie man in der ersten Zeit der Bildung einer
christlichen Theologie im zweiten Jahrhundert an die
vorchristliche Erkenntniss anknüpfte, auf Dichter und
Philosophen des klassischen Alterthums als Vorläufer des
Evangelium sich berief, freilich mannichfach durch unter-
geschohene Aussprüche getäuscht; so finden wir dieselbe
Richtung gegen Ausgang des Mittelalters in der byzan-
tinischen Kunst, in der Malerschule des Berges Athos,
wie aus der früher (S. 305.) erwähnten Anweisung zur
Malerei von dem Mönch Dionysius hervorgeht. Da werden
am Schluss der Darlegung Alttestamentlicher Scenen,
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