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das behelmte Brustbild der Roma mit der Aufschrift
INVICTA BOMA zeigt.
Also damals noch wurden die von der Wölfin er-
nährten Zwillinge für ein Emblem des alten Rom gehalten,
und zwar zu einer Zeit, als schon an die Fabeln der My-
thologie unter dem Einfluss der neuen Religion nicht mehr
geglaubt wurde. Indem Eckhel (a. a. O.) hierauf auf-
merksam macht, bemerkt er: doch habc ganz unschädlich
geglaubt werden können, dass auch ohne Hülfe der Götter
dem Kinde diese mütterliche Sorge von dem wilden Thiere
gewährt sei, da in derselben Zeit während des gothischen
Krieges unter Justinian zu Urbssalvia im Piccnischen etwas
Aehnliches sich begeben, wovon wir den Bericht eines
Augenzeugen 1) haben. Ein neugeborenes Kind war von
seiner Mutter, die in der Kriegsnoth sich flüchtete und
auch nicht wiederkehrte, in den Windeln auf der Erde
liegen gelassen: auf das Geschrei des Kindes kam eine
Ziege herbei, die eben geboren hatte, saugte dasselbe
von Zeit zu Zeit und bewahrte es, dass kein Hund oder
wildes Thier ihm schade; worauf das Kind auch später-
hin, als Frauen herbeikamen und es nähren wollten, von
ihrer Brust keine Nahrung annahm: von dieser merk-
würdigen Erhaltung gaben die Einwohner ihm den Namen
Aegisthus. Uebrigens ist in diesem Gepräge nur der
antike Typus beibehalten auf Denkmälern, die weder ein
christliches Kennzeichen haben, noch eine kirchliche Be-
stimmung gehabt.
2. Desto merkwürdiger durch beides ist ein anderes
Denkmal mit diesem Bilde aus dem neunten Jahrhundert.
Es ist das berühmte Diptychon der Agiltruda mit dem
Bilde des Gekreuzigten (s. oben S. 22. n. welches
1) Des Procopius,
ed. Bonn.
Bell.
Goth.
Lib.
214.