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dem Anfang des zwölften Jahrhunderts, die schon vorhin
(S. 388.) wegen der Sirenenfigur erwähnt sind. Und zwar
in folgenden vier Momenten 1): Pyramus findet den Löwen;
er schlägt auf den Löwen los, der Thisbe's Gewand
im Maul trägt, Thisbe sitzt indessen auf einem nahen
Baum; Thisbe beklagt den todten Pyramus; sie
stürzt sich über ihn in das aus seinem Leibe hervor-
agende Schwerdt. Ohne Zweifel ist das Thema dieser
Vorstellungen im Sinne des Künstlers, der sie in der
Kirche anordnete: wie der Löwe durch den täuschenden
Schein, den er hervorbringt, beide Liebende in's Ver-
derben stürzt, und es soll dadurch vor den Täuschungen
des Bösen gewarnt werden. S0 erscheint dieses Bildwerk,
welches an der dritten Säulengruppe sich befindet, nicht
ohne Zusammenhang mit den Vorstellungen der beiden
ersten Säulengruppen: die erste nehmlich zeigt den
Sündenfall der ersten Eltern und ihre Verstossung aus
dem Paradiese, die zweite Kämpfe zwischen Rittern und
Ungeheuern; alle drei stellen also geschichtlich oder
sinnbildlich theils Ursprung und Folgen der Sünde, theils
Gewalt und List des Bösen vor Augen.
Aber auch die Ohnmacht des Bösen ersieht man,
wenn nur der rechte Held erscheint, wie solches nach
der Heroenfabel bildlich vorgestellt ist in einer der Zeich-
nungen, mit welchen Albrecht Dürer im J. 1515 ein
Gebetbuch geziert hat (s. oben S. 299.). Hercules an
einem Baum stehend, nackt, mit Schild und Keule, zu
seinen Füssen der getödtete Löwe, das Bild steht am
Bande des XCVI. Psalms, welcher anfängt: Cantate domino
1) Beschreih. des Münsters zu Basel. 1842. S. 17. Vergl. Otte
Ueber die Deutung der Thiergestalten an den Kirchengebäuden
des M. A., in den N. Mittheil. des Thür. Sächs. Vereins Bd. VI.
H. 1. S. 54.