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samen Herrn bete, der, wie sie erfahren hätten, ziun
Heil der Welt einst gekommen sei. Der Greis, tief be-
wegt von diesem Zeugniss und verwundert, dass er die
Rede verstehen könne, rief ein Wehe aus über Alexandrien,
welches statt Gottes alle möglichen fabelhaften Wesen
verehre, während Thiere von Christo redeten. Noch hatte
er nicht geendet, als das gehörnte Thier eilends entwieh.
Jene Wendung gegen Alexandrieil giebt wohl einen
Fingerzeig über die Entstehung dieser Fabel. Zu ihrer
Beglaubigung aber beruft sich Hieronymus, der sie er-
zählt, auf eine notorische Geschichte, die unter Kaiser
Constantin sich begeben habe, dass nehmlich ein Mensch
dieser Art lebendig nach Alexandrien und nachher dessen
Leichnam einbalsamirt nach Antiochien zum Kaiser ge-
bracht sei. Aus dieser Erzählung erhellt nun, dass
man im Lauf des vierten Jahrhunderts zwar geneigt war,
solche Wesen für wirklich anzusehen, aber für Monstra,
nicht für Dämonen.
Auch ist diese Figur zur Darstellung des Teufels
von der Kunst des christlichen Alterthums nicht benutzt,
der sie überhaupt fremd geblieben ist, ausser dass
einmal auf einer Marmorvase etwa aus dem fünften Jahr-
hundert neben den christlichen Hauptvorstellungen ein Paar
Satyrköpfe zur Verzierung vorkommen (s. oben S. 163.).
Als man aber bei der Wiederherstellung der Kunst
im dreizehnten Jahrhundert auf antike Vorbilder zurück-
ging, hat man von da auch die Satyrgestalt für den Teufel
entlehnt. S0 bildete ihn Nicola Pisano in seinem jüngsten
Gericht an der Kanzel zu Pisa vom J. 1260 (s. S. 254.).
Desgleichen als Satyr (mit Hörnern und Schwänzchen)
erscheint er daselbst im Campo santo, in den Malereien
zur Geschichte des h. Banieri 1), welche von Vasari dem
I) Lasinio Pitt. del Campo santo di Pisa. 1812. Tav. VIIL; in
der Ausg. von 1833 Pl. X.