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Demgemäss werden die Sirenen, auch wo sie in den
Kirchen angebracht sind, als ein Bild der Versuchung
aufzufassen sein, welches warnend dort vorgehalten wird.
Die Sirene, eine weibliche Figur mit Vogelbeinen,
ist nebst einem Löwen, Greifen und andern phantastischen
Thieren vorgestellt in einem Mosaikfussboden zu S. Denis
da ist sie besonders an der Stelle; denn die Gläubigen
sollen die Versuchung unter die Füsse bringen.
Sonst findet sie sieh häufig au Kapitälen, aber als
ein Weib mit einem Fischschwanz. Schon aus dem Ende
des zehnten Jahrhunderts enthalten die Senlpturarbeiten
in dem Grossmünster zu Zürich Sirenen, wie auch Menschen
verschlingende Löwen 2), das Bild der Lockung und
der Gewalt. Eine Sirene nnd ein Satyr ist unter andern
monströsen Figuren an einer Säule der alten Kirche zu
Souvigny gebildet 3). Sie kommt öfters in Poitou, Anjou
und der Normandie vor4); mehrere Beispiele solcher
Kapitale werden aus dem Departement Deux-Sevres an-
geführt 5). Bedeutsam erscheint eine Sirene, welche
ihr Junges saugt, im Münster zu Basel an einer der vier
Säulengruppen des Chors aus dem Anfang des zwölften
Jahrhunderts, deren Kapitale auch den Sündenfall mit
seinen Folgen, so wie einen Bitter im Kampf mit Unge-
heuern zeigen 6) (worauf ich im folgenden Paragraph
1) Lenoir Monum. de la France. Par. 1840. fol. p. 36. PLXXVIII.
z) Keller in d. Mittheil. der antiq. Gesellschaft in Zürich Bd. l.
S. 21. Die Gestalt der Sirene ist hier aber nicht angegeben.
a) Abgebild. h. Ach. Allier PAnCien Bourbonnais. Ich habe
nur die Nachweisung dieses Bildwerks benutzen können bei
Berger de Xivrey Trad. terat. p. 539.
4) de Caumont Bullet. monum. T. VII. p. 515. 626.
5) In der General-Vers. der franz. Gesellsch. für Erhaltung der
hist. Denkm. v. J. 1840, bei Caumont l. c. T. VI. p. 343.
mit Abbildung.
6) Beschreib. des Münsters zu Basel. 1842. S. 17. mit Abbildung.