Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in's sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 1)

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sollen gleich nachher angeführt werden.  Hiernach 
würden die Sirenen eine doppelte und zwar entgegen- 
gesetzte Bedeutung haben, wenn sie theils die Weltlust, 
theils die, welche der Welt absagen, oder den, der die 
Seelen von der Welt frei macht, bezeichnen. Nun giebt 
allerdings eine Kunstvorstellung des Mittelalters das Bei- 
spiel eines solchen Doppelsinnes; das ist der Löwe, welcher 
Bild Christi, aber auch Bild des Teufels ist,  beides 
auf Grund der biblischen Symbolik. Der llllythus von 
den Sirenen aber giebt zu einem ähnlichen Doppelsinn 
keine Veranlassung; ihm ist diese eben von den fran- 
zösischen Archäologen untcrnommene Erklärung ganz 
fremd. Und wie dieselbe mit den angeführten Zeugnissen 
des Mittelalters in Widerspruch ist, so stehen ihr auch 
Bildwerke von unzweifelhafter Auslegung entgegen. 
3. Der Erörterung derselben ist noch voraufzu- 
schicken, dass die Sirenen unter den Kunstvorstellungen 
des christlichen Alterthums überhaupt nicht vorkommen. 
Aber bemerkenswerth ist die Verwendung antiker Werke 
in der friihern christlichen Zeit: zwölf Sirenen, vergoldete 
Statuen auf Porphyrsäulen stehend, waren einst in Con- 
stantinopel aufgestellt, und sieben von ihnen noch im 
eilften Jahrhundert vorhanden 1).  Wohl aber lassen 
sich in der mittelalterlichen Kunst vom zehnten Jahr- 
hundert an bis zu Ende und in das Zeitalter der modernen 
Kunst hinein die Sirenen nachweisen. 
Mit Anschliessung an die homerische Erzählung giebt 
der Hortus deliciarum der Herrad von Landsperg aus dem 
Ende des zwölften Jahrhunderts drei Gemälde von den 
Sirenen 2), welche geflügelt, in langen Gewändern und 
Gotting. 
1) Heyne Serior. art. opp. sub imperat. Byzant. in Societ. Gott 
Comment. hist. et phil. Vol. XI. p. 31. 
2) Le Noble Notice sur le Hort. delic. an dem oben (S. 
Anm. 1.) angef. O. p. 252; s. auch Engelhardt a. a. O.
	        
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