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Endlich macht der Reiz, den ihr Gesang und Spiel
erweckt, sie zu einem Bild der Liebeslockung 1), als
welches sie öfters auf Vasen angebracht sind: so erscheint
eine bacchantisch begeisterte Sirene unter den Verzie-
rungen, welche den Schmuck hochzeitlicher Mythen um-
geben, auf der Archemorosvase im Museum zu Neapel 2).
Demgemäss finden sie sich auch zuweilen mit Amorinen
zusammengestellt, während umgekehrt Venus selbst in
Macedonien den Namen Sirene erhalten hat 3).
Nach der ursprünglichen, Aegypten entstammenden
Auffassung, wie man sie mit Wahrscheinlichkeit bei Homer
vorauszusetzen hat, galten die Sirenen für Vögel mit
menschlichem Haupt: das ist die Gestalt, die sie noch,
wie auf dem genannten griechisch-ägyptischen Denkmal,
so auf der Vase von Canino haben. Sie sind dann aber
mehr und mehr vermenschlicht 4): die herrschende Vor-
stellung ist später, wie auch die meisten Kunstdenkmäler
sie befolgt haben, dass sie Jungfrauen sind mit Vogel-
füssen ; doch wurden sie auch, namentlich bei den Etruskern,
ganz menschlich gebildet. Bei Homer sind ihrer zwei,
die nur durch Gesang den Zauber ausüben; später er-
scheinen sie in der Dreizahl, und es werden ihnen auch
musikalische Instrumente, Leier und Flöte, zugetheilt.
2. Bei den Kirchenschriftstellern ist frühzeitig von
Sirenen die Rede, aber merkwürdigerweise in exegetischer
1) Eine Bedeutung, die selbst in den Namen hineingelegt ist,
Zugviv von 669ml, trahere, Fulgent. Mythol. II, 11. p. 685.
ed. Staveren.
2) Gerhard Archemoros und die Hesperiden, Philosoph. histor.
Abhandl. der Berliner Akad. Jahrg. 1836. S. 256. 279. 284.
a) Vergl. die Bemerk. von Wel cker Annal. dell" Instit. di corrisp.
arch. T. IV. 1832. p. 383. not. 14.
4) Ueber die verschiedenen Stufen dieser Entwickelung s. Pa-
nofka l. c. p. '74.