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bis dahin, dass man den umgekehrten Uebergang machte,
die Engel in der Gestalt von Genien zu bilden.
Ja es lassen sich an der Geschichte dieser einzelnen
Vorstellung die allgemeinen Epochen der neuern Kunst
deutlich unterscheiden, da dieselben bedingt sind durch
das Studium und den Einfluss der Antike, dessen ver-
schiedene Stufen in der Folge von Darstellungen jenes
Gegenstandes sichtbar werden. Schon die Namen derer,
welche bei dieser Darstellung vorzugsweise betheiligt sind,
deuten den Entwickelungsgang an: Cimabue, Donatello,
Mantegna, Raphael.
1. Es bezeichnet erstens einen entscheidenden Mo-
ment in der Entwickelungsgesehichte der christlichen
Kunst, als man in der zweiten Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts auf die Darstellung von Genien zurückkam.
Cimabue ist es, bei dem wir die antike Vorstellung
zuerst wiederfinden, und zwar der christlichen gegen-
übergestellt, in seinen Malereien in der Ober-Kirche
S. Franceseo zu Assisi 1). Von den fünf Haupträumen
der gewölbten Decke des Langschilfs enthält der erste
über dem Chor in seinen vier Dreiecken die Bilder der
vier Evangelisten, die vier Dreiecke des dritten Raums
enthalten die Bilder Christi, der Maria, Johannes des
Taufers und des Franciscus. Eine interessante Parallele
nun gewähren die Verzierungen in den untern Winkeln
dieser Dreiecksfelder. In den erstgenannten Dreiecken:
ein Engel, der eine Vase auf seiner Schulter trägt: aus
ihr wachsen zu jeder Seite drei Blätter hervor, welche
alsdann andere Stängel und Banken und Blätter aus ein-
ander hervortreiben; zwischen den Blättern findet sich
L
Beschrieben von Fr. K(öhler) Anfänge der italien. Kunst,
Cimabue, Tüb. Kunsthl. 1827. N0. 34. S. 135. vergl. N0.
S. 159.