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Zu diesen meist stehend 1) gebildeten Genien kommen
endlich auf christlichen Grabmälern noch geflügelte, nackte
Figuren, welche schwebend dargestellt sind, zu zweien
einen Kranz haltend. S0 erscheinen in einem Wand-
gemälde des Cömeterium der Priscilla 2) über dem Bilde
des guten Hirten zwei Genien, welche in der einen Hand
einen Palmzweig halten, mit der andern die Enden eines
Gewindes fassen, in dessen Mitte eine Rose ist. Und auf
einem Sarkophag in der Metropolitankirche zu Aix 3),
auf welchem Christus zwischen den zwölf Jüngern dar-
gestellt ist, sieht man in der obern Abtheilung dreimal
zwei Genien, welche einen Kranz halten.
Die Aufnahme dieser geflügelten Knabenfiguren in
dem Bildwerk christlicher Gräber geht augenscheinlich
von dem Herkommen des Heidenthums aus, mochte man
sie nun bloss als Verzierung lacibehalten oder einen Ge-
danken ihnen leihen, indem man entweder mit dem künst-
lerischen Typus auch die heidnische Vorstellung annahm,
oder diese Vorstellung von Gcnien in die von Engeln
hinüberspielen liess. Bei dem Namen oder dem Bilde
auf einem Grabmal Engel anzubringen, welche für die
Beschauung der Ueberlebenden das Gcdächtniss des Ver-
storbenen aufrecht erhalten, den Gedanken konnte auch
die christliche, rein aus dem Christenthnm schöpfende
Kunst auffassen, und sie durfte sich versprechen, durch
die Ausführung dem Gefühl des christlichen Beschauers
wohl zu thun. Und jene schwebenden Gestalten mit den
Kränzen, womit die vollendeten Gerechten gekrönt werden,
1) Schwebend nehmlich sind nur vorgestellt die beiden Genien mit
der Inschrifttafel in dem Cömeterium des Saturninus und die
beiden Genien, welche die Muschel mit dem Brustbilde halten.
z) Bosio p. 503. Aringhi T. II. p. 257. Bottari T. III.
Tav. CLXII.
3) Millin l. c. T. II. p. 269 sq. Pl. XXXVII, 2.