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S0 gelten also die Genien im christlichen Alterthum,
als Dämonen angesehen, für gefallene Engel. Doch findet
sich auch eine Spur, dass sie für gute Engel genommen
wurden, oder vielmehr von beidem zusammen. Nelnnlich
wie die Vorstellung von den Genien nach der Zersplit-
terung der Gotlesidee genährt wurde durch den Glauben,
dass der Mensch unter einem höhern Einfluss steht und
handelt; so konnte die Erfahrung, dass er nicht selten
von entgegengesetzten Gewalten getrieben erscheint, zu-
mal bei einer dualistischen Weltansicht zu der Annahme
zweier Genien für jeden Menschen führen, eine Lehre,
die_ schon Empedokles aufgestellt hatte. Sie ging auch
zu den Römern über 1); nach einer Stelle des Servius 2)
erhält der Mensch bei der Geburt zwei Genien, Einen,
der zum Guten ermahnt, den Andern, der zum Bösen
verführt. Diese Lehre aber findet sich angeeignet, das
heisst in christlicher Form, bei einem der apostolischen
Väter, dem Hermas, dessen Schrift „der Hirta jedoch
wahrscheinlich in's zweite Jahrhundert gehört; die Stelle
lautet im Urtextß): 6150 705g eiow äyys-Äot usw? T017
oir-Ügaizrov, auf; Hi; Ömou-oouvvyg, 8:; rrowjgiag. Nun
ist bemerkenswerth, dass in der alten lateinischen Ueber-
Setzung (die allein vollständig erhalten ist, während von
dem griechischen Text nur noch Bruchstücke übrig sind)
das griechische [iyyslot im Lateinischen durch genii wieder-
gegeben ist: duo sunt genii cum homine, unus aequitatis
et unus iniquitatis. Woraus folgt, dass man damals zwischen
1) Censorin. De die nat. c. 3. beruft sich auf den Sokratiker
Euklides, dass jedem Menschen ein zwiefaclner Genius beige-
geben sei.
2) Serv. in Virg. Aen. VI, 743. Vergl. Ambrosch De Charonte
Etrusco p. 17. not. 144.
s) Hermae Pastor. Lib. II. Mandat. Vl. c. 2. in Patr. apost.
T. I. p. 93. ed. CoteL-Gleric.