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Raphaels Geburt der Venus aber führt auf eine andere
Klasse von Malereien.
Denn solchen Zeichnungen und Staffeleibildern gegen-
über, welche Göttergestalten und einzelne Seenen der
Götterlabel vor Augen stellen, wie man sie auch schon
im funfzehuten Jahrhundert hatte, bezeichnen jetzt einen
Fortschritt in der Aneignung mythologischer Vorstellungen
die Compositionen, meist in Fresco ausgeführt, welche in
einer Reihe von Scenen ganze Mythenkreise umfassen.
Hier ist vor allen Raphael zu nennen wegen seiner Com-
positiouen für das Badezimmer des C-ardinal Bihiena im
Vatican und für die Vorhalle der Farnesina, welche das
Ende des Waltens roher Naturkräfte, eine seelenvoll be-
wegte Natur und den Kampf und Sieg der Liebe wie auf
allen Stufen des Naturlebens, so in der menschlichen
Seele und in der Götterwelt in einem Cyclus von Dar-
Stellungen der Venus, des Amor und der Psyche ver-
herrliehen. In dem Badezimmer des Bibiena: die Ent-
mannung des Uranus, die Geburt der Venus aus dem
Schaume des Meeres, Venus und Amor auf Meerunge-
heuern durch das schäumende Meer dahinfahrend und
Venus dem Amor ihre Wunde klagend; ferner sechs
Amorine mit Delphinen, Schwänen, Schlangen und andern
Thieren fahrend, kurz in jedem Element, dem Wasser,
der Luft und auf der Erde siegreich. Dazu kommen
vierzehn Amorine mit den Attributen sämmtlicher Götter
in der Farnesina, welche in zwölf grösseren Gemälden
die Darstellungen aus der Fabel des Amor und der Psyche
enthält. Derselbe Gegenstand ist dann auch von Giulio
Romano (der in der Farnesina nach Raphaels Gartens ge-
malt hatte) selbständig im Palast del Te zu Mantua, so
wie später von Michael Coxcie in zweiunddreissig Blättern
ausgeführt. Der Contlict zwischen Himmel und Erde im
Kampf mit den Giganten, auf welche Jupiter inmitten der