Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in's sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 1)

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den Geist, in welchem er sie auffasste und ausführte. 
Indem er im Geist der Antike die mythologischen Ideen 
erfasste, brachte er sie doch seinen Zeitgenossen gleich 
als Urbilder ihrer eigenen Ahnungen zur Anschauung, 
durch poetische Wahrheit der Gestalten die fernen Zeit- 
alter verknüpfend. Darin liegt das Vorbildliche dieser 
Schöpfungen, deren Eindruck vervielfältigt wurde durch 
ihren Umfang, da nehmlich Raphael zuerst in einer Folge 
von Bildern die Mythen des Alterthums von dem in der 
Natur ausgegossenen Geist wie von dem Lauterungswege 
der menschlichen Seele verführte, also die Gewalt der 
Idee mit dem Reiz, den die Geschichte ausübt, verband. 
In seiner Schule hatten dann solche Aufgaben weitern 
Fortgang,  doch ohne jenes Maass und Gleichgewicht, 
wodurch der grosse Meister einzig dasteht. Giulio 
Romano führte zwar auch beiderseitige Aufgaben aus; 
doch sind die christlichen nicht recht kirchlich und die 
heidnischen nicht recht antik: was die letztern betrifft, 
so fehlte ihm eben so sehr die Tiefe als die Reinheit 
der Gesinnung, um in den Geist des Alterthums einzu- 
dringen und seine Mythen würdig zu reproduciren, denen 
er äusserliche und sinnliche Motive unterlegte. Polidoro 
aus Caravaggio dagegen sammt dem Maturino aus 
Florenz war ganz dem römischen Alterlhum hingegeben; 
"keine Vase noch Statue, kein Pfeiler und kein Bild, ob 
ganz oder zerbrochenff, sagt Vasari, „das sie nicht nach- 
gezeichnet und in ihren Bildern benutzt hätten": und so 
kamen auch in ihren selbständigen Arbeiten überwiegend 
antike Scenen, namentlich aus der Geschichte Roms und 
dem Heroenmythus zur Darstellung.  Diese Richtung 
auf antike, vornehmlich mythologische, Gegenstände wurde 
durch die Schule Raphaels auch nach andern Ländern 
verpflanzt. Nach den Niederlanden durch Bernard 
van Orley, einen unmittelbaren Schüler Raphaels, und
	        
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