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umfasst, von der bis dahin kirchlichen Kunst sich ab-
zweigte.
Dieses Ziel war vollkommen berechtigt, unbeschadet
der Alleinherrschaft des Evangelium. Denn das Evangelium
verträgt sich auch mit den mythologischen Ideen, so weit
nicht heidnischer Wahn sie erfunden, sondern sie Reste
einer ursprünglichen Wahrheit sind: es kann ihrer Dar-
stellung durch die Kunst sogar religiöse Bedeutung zu-
gestehen. Freilich ziemt es sich nicht, Gott Vater in der
Gestalt. des Jupiter zu bilden, so wenig als den Sohn
Gottes, die wesentliche Weisheit, gleich der Minerva,
oder den heiligen Geist in der Gestalt des Apollo. Denn
das Jupiterideal ist noch nicht die Idee Gott-Vaters; doch
ist es eine Stufe dazu, ein Moment dieser Idee: jene
vorbereitenden Anschauungen aber werden da um so
grössere Bedeutung haben, wo eine vollendete Anschauung
doch unerreichbar ist. Und wie die grossen Künstler des
heidnischen Alterthums, als sie jenen Idealen Gestalt gaben,
gewiss von Andacht durchdrungen waren; so dürfen solche
Gestalten, wie jede Darstellung eines acht religiösen Ge-
fühls, auch unter dem christlichen Volk noch Anspruch
darauf machen, Andacht zu wecken, das heisst unter
den Gebildeten, die auf den Geist eines Kunstwerks ein-
zugehen vorbereitet sind.
Eine umfassendere Berechtigung, als in der Sphäre
des Göttlichen, haben mythologische Aufgaben in der
modernen Kunst nach der menschlichen Seite, sofern die
mythologischen Ideen ewig gültige Typen menschlichen
Daseins enthalten, nach seinem Urbild, wie nach seinem
Zerrbild. Und wenigstens das erstere nach heidnischen
Vorbildern vor Augen zu stellen, darf auch die durch
das Christenthum hindurchgegangene Kunst sich nicht
nehmen lassen. Nachdem die Kunst im Dienst der Kirche
ihren Weg vollendet hatte, schritt sie zu den Aufgaben