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der mit dem Ruder nach den Saumigen schlägt, um sie
aus dem Nachen an's Ufer zu treiben, endlich unter
den Höllengeistern Minos als Richter mit einem Schweif
in Schlangengestalt, den er zwiefach um seinen Leib
gewunden hat. Diese ganze antike Scenerie aber ist
wörtlich aus Dante entlehnt, aus dessen Dichtung 1)
sogar das nähere Verständniss jener Bilder zu entneh-
men ist.
Wenn nun die Einführung solcher Motive in einen
christlichen Gegenstand dem Werke Michelangelds zum
Vorwurf gemacht ist, so fällt die Verantwortlichkeit auf
den Dante zurück. Zu Gunsten Beider, um diesen Vor-
wurf abzulehnen, ist geltend gemacht, sie hätten den
Mythus des heidnischen Alterthums in den Charakter des
Christenthums umgestaltet, da Charon und Minos bei ihnen
als Teufel in der christlichen Hölle dasselbe Amt ver-
richten, welches den so benannten Personen in der heid-
nischen Unterwelt angewiesen war 2). Eine solche
Umwandlung wäre allerdings im Sinne des christlichen
Alterthums, da man die Götter überhaupt für Dämonen
erklärte; sie ist jedoch, was den Charon betrifft, im
klassischen Alterthum selbst schon vorgenommen, da auch
1) Bei Dante Inf. III, 77 lf. erscheint am Strand des Acheron
Charon mit seinem Nachen und ruft den Verworfenen Wehe;
Da drängten sie zusammen sich am Strund,
Dem schrecklichen, 1.11 welchem alle kommen,
Die Gott nicht scheun: und laut Gehen! entstand.
Charon mit Augen, die wie Kohlen glunnnen,
Winkt? ihnen und schlug mit dem Ruder los,
Wenn Einer sich zum Warten Zeit genommen.
Weiter wird im fünften Gesang (v. 4 ff.) Minos geschildert, wie
er furchtbar ziihnefletschend dasteht, alle Schuld erforscht, er-
kennt und die Verurtheilteil
Dann sendet so viel Grat? hinab zur Hölle,
Als oft er sich mit seinem Schweif umkreist.
Roms II,
2) P latn e r Beschreib.
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oben S.
Vergl.