297
Auch nach Deutschland verbreitete sich zu Anfang
des sechzehnten Jahrhunderts diese Richtung, sie wird
vor allen durch Peter Vischer vertreten in seinem
Hauptwerk, dem Grabmal des h. Sebaldus zu Nürnberg,
welches er mit seinen Söhnen von 1508-1519 in Bronze
ausführle: nicht weniger die Wahl der Gegenstände, als
der Stil zeugt von italienischem Einfluss und einem selbst-
ständigen Studium der Antike. Die kirchlichen Haupt-
darstellungen an dem Postament die Wunder des
h. Sebaldus in Relief, an dem Tabernakel die Statuen der
zwölf Apostel so wie die kleineren, der zwölf Propheten
sind umgeben von mythologischem Bildwerk 1): die Füsse
der acht Pfeiler bilden Tritonen, Silens-l und Pans-
figuren; unten an den vier Eckpfcilern sind Hercules,
Perseus und zwei Alttestamentliche Heroen (s. 9.
zwischen denen die vier Cardinaltilgenden Tapferkeit 2),
Mässigkeit, Klugheit und Gerechtigkeit in weiblicher Ge-
stalt vorgestcllt sind; in mittlerer Höhe dieser Pfeiler
Madonna mit dem Kinde aufrecht stehend auf einem achtseitigen
Postament, an dessen Ecken Harpyien sitzen, ,.,fast als ob sie
die Jungfrau anheteten", wie Vasari (III, 1. S. 406. d. deutschen
Uehers.) seltsamerweise hinzufügt; sie sind aber als Sculptur-
Verzierungen dort angebracht. Wovon das Bild auch die Ma-
donna delle Arpie genannt wird. Vergl. Reumont Andrea
del Sarto S. 95. 99.
1) Vergl. v. Bettberg Nürnberger Briefe S. 108 f., wo gegen
diese Mischung heidnischer und christlicher Vorstellungen eine
treffende Erklärung abgegeben wird.
2) Diese Figur ist mit einem Panzer angethan und sitzt auf einem
Löwen, dem sie mit der Rechten in den Buchen greift. Die
Herausgeber der Nürnb. Künstl. H. IV. S. 57. A. 42. nehmen
dieselbe für eine Darstellung der Sanfinwtlt, welcher Erklärung
v. Rettberg a. a. O. S. 108. folgt. Ohne Zweifel aber ist
es die Tapferkeit, wie sowohl aus den Attributen, als vermüge
der Zusammenstellung der vier Cardinaltttgenden erhellt.