Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in's sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 1)

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scheinen, dann aber als gleichberechtigt sich ihnen zur 
Seite stellen, endlich hin und wieder die christliche Vor- 
stellung an heiliger Stätte verdrängt haben. 
Nicht minder merkwürdig ist der gerade umgekehrte 
Fall, dass in mythologische Scenen christliche Motive 
aufgenommen werden: Beispiele giebt eine Handschrift 
mit Miniaturen in der K. Bibliothek zu Paris, die für 
Philipp den Guten, Herzog von Burgund, im J. 1464 
verfertigt ist. Sie enthält die Geschichte von Troja, ver- 
fasst von Raoul Le Fleure, Kaplan des Herzogs,  und 
unter den Miniaturen folgende zwei Bilder: die Ver- 
mählung von Saturn und Cybele, welche von einem 
Bischof im Ornat eingesegnet werden, und ebenso die 
Vermählung von Jupiter und Juno in einer christlichen 
Kirche, mit einer Ansicht des Calvarienberges 1). Das ist 
freilich ein Anachronismus, wie wenn in einer Welt- 
geschichte aus dem Anfang desselben Jahrhunderts in der 
Bibliothek zu Rouen ein Gemälde die Eroberung Troja's 
vorstellt, wie es mit Kanonen beschossen wird, und eine 
Pariser Handschrift das Leichenbegäingniss des Julius Cäsar 
sehen lässt, gefeiert von Cardinälen und Bischöfen unter 
Vorantragung des Kreuzes 2). Jene christlich mytholo- 
gischen Scenen enthalten jedoch noch etwas mehr als 
einen Anachronismus: man erkennt darin jene durch das 
ganze Mittelalter sich hindurehziehende Auffassung der 
Mythologie, wodurch sie in alltägliche Geschichte ver- 
wandelt wird. Gerade damals aher neigte sich diese 
Auffassung zu Ende, da man in den Geist des Alterthums 
sich versenkend, der in den Mythen ausgesprochenen Ideen 
S0 sich bemächtigte, dass man sie frei nachzubilden unter- 
nehmen konnte. 
 Waagen Kunstw. und Künstler in Paris S. 351. 
Essai sur 1a calligr. des mss. du nxoyexa-äge p. 43. 
2) Langlois l. c. p. 44. nebst Abbild. und p. 42. 
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Langlois 

	        
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