290
schaft, welche gerade die Reinheit der Lehre zu be-
wahren und die christlichen Vorstellungen zu läutern
berufen ist, ein herrschendes mythologisches Interesse
eingedrungen.
Mit dieser Bewegung, da die Geister eingenommen
waren von den Ideen des Alterthums, hängt es zusammen,
dass dieselben auch in der christlichen Kunst mit Macht
hervortreten. Aber sie kamen zu den Künstlern nicht
bloss aus der klassischen Literatur und dem durch die
Wiederherstellung derselben bestimmten Bewusstsein des
Zeitalters, sondern auch unmittelbar aus der begeisterten
Anschauung der Antike. Daher um so mehr von der Kunst
aus auf jenes Bewusstsein zurückgewirkt, das klassische
und heidnische Interesse des Zeitalters genährt wurde.
Für die Kunst selbst aber war die Folge, dass sich
ein eigenes Kunstgebiet von der his dahin kirchlichen
Kunst abzweigte, wodurch ein Uebergang aus der mittel-
alterlichen in die moderne Kunst gemacht wird. Dieser
Uebcrgang soll sogleich (S. 36.) nachgewiesen, zuvor
jedoch von der Vermischung beider Gebiete Rechenschaft
gegeben werden.
Benutzung mythologischer Vorstellungen
seit dem funfzehnten Jahrhundert.
Das ist das Merkwürdigste und gerade daran erkennt
man die Gährung; des Zeitalters und die Macht der neuen
Ideen, dass selbst die kirchlichen Aufgaben dieser heid-
nischen Motive sich nicht erwehren konnten: ja sie griffen
so um sich, dass sie mit den christlichen Ideen auf deren
eigenthünilichein Gebiet um den Vorrang stritten. Es giebt
sich nehmlich in dieser Vermischung der Stufengang zu
erkennen, dass sie in kirchlichen Kunstwerken für's Erste
bescheiden nur als Einfassung christlicher Scenen er-