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standen ein, welches seitdem nicht wieder erloschen ist;
es ist aber im Zunehmen ein Jahrhundert hindurch, in
welchem ein grosser Kreis antiker und mythologischer
Stoffe der Kunst angeeignet wurde.
Diese Erscheinung liegt allerdings auf dem Wege
der Entwickelung von den Keimen aus, die schon im
dreizehnten Jahrhundert bemerklich wurden. Doch ist es
nicht hloss eine neue Stufe des Weges, auf welcher man
damals ankam; sondern ein Wendepunkt: jener durch-
greifende Einfluss der antiken Mythologie gehört dem
Uebergang in die neue Zeit an, die in der Kunst wie in
der Wissenschaft sich regt.
Das Mittelalter neigte sich zu seinem Ende. Es hatte
die Aufgabe gelöst, auf Grund der Kirche das Leben zu
gestalten: die unmündigen Völker waren von der Kirche
erzogen; von der Kirche aus und innerhalb derselben
hatten Wissenschaft und Kunst den weitesten Kreis um-
schrieben. Diese Universalherrschaft musste die Kirche
aufgeben, und es ist die Aufgabe der neuern Zeit ge-
worden, statt dessen die Herrschaft des Evangelium zu
sichern, nachdem die Kirche des Mittelalters den Staat
aus sich entlassen und auch die Wissenschaft sich frei
gemacht hat. Diese Freiheit der Wissenschaft, die
Ueberschreitung jenes Kreises, kündigt seit Anfang des
funfzehnten Jahrhunderts durch die eifrigen Bestrebungen
sich an, die klassische Literatur wieder herzustellen. Und
das Ende des Mittelalters wird nach dieser Seite dadurch
bezeichnet, dass die ächt menschliche Bildung des Alter-
thums zur Grundlage der neuern Bildung gemacht wurde.
Nun aber war im klassischen Alterthum Menschliches
und Heidnisches durchaus mit einander verschmolzen und
auch das specifisch Heidnische zeigte noch Spuren gött-
licher Abkunft. Um so mehr drang auch die Götterfabel
in die neuere Bildung ein. Da fragt es sich, wie mit