275
Diese Vorstellungen stehen wiederum in einem zwie-
fachen Verhältniss zur christlichen Kunst, indem' Giotto
sowohl biblischen Gegenständen mythologische Erschei-
nungen zur Seite gestellt, als auch den weltlichen Inhalt
eines poetischen Textes durch mythologische Figuren er-
läutert hat.
Von der ersteren Art sind seine Malereien in
der untern Kirche S. Francesco zu Assisi, an dem
Kreuzgewölbe über dem Grabe des Heiligen, in denen
eben der Einfluss Dante's überhaupt bemerklich wird. In
dem Bilde der Keuschheit aber erscheint die unheilige
Liebe, die von der Busse mit der Geissel verjagt wird,
als ein geflügelter Amor mit Köcher und Binde, jedoch
mit Bocksfüssen 1). Und in dem Bilde des Gehorsams
(s. unten S. 38.) ist in der Gestalt eines Centauren, den
man dort mitten unter Engeln erblickt, der Eigenwille
vorgestellt. Auch eine encyolopädische Darstellung,
diesmal aber in Stein ausgeführt, ist es, die wieder Ver-
anlassung gab, mythologische Motive aufzunehmen. In
den Reliefs nelnnlich, die er an dem Glockenthurme zu
Florenz seit 1334 anordnete, zum Theil selbst ausführte,
erscheinen neben biblischen Scenen Vorgänge aus dem
Heroenmythus, um mit einander den Gang der mensch-
liehen Bildung, die Geschichte der Erfindungen zu ver-
anschaulichen, wovon unten (S. 41.) näher die Rede
sein wird.
Von besonderem Interesse sind andererseits die Mi-
niaturen einer italienischen Handschrift im hrittischen
Museum 2), welche in der ersten Hälfte des vierzehnten
1) Vasari Leben der Maler Th. I. S. 140. der Uebers. v. Schorn.
Ausführlicher die Beschreib. im Tüb. Kunstblatt 1821. N0. 45.
S. 178.
2) Mss. Reg. 6. E. IX. Beschrieben von Waagen Kunstw. und
Künstler in England Th. I. S. 149-152.
181