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Ich steure hin zu nie befahrnen Meeren;
Minerva haucht, Apoll ist mein Geleit,
Und die neun Musen zeigen mir die Bären.
Wie nun jene Verpflanzung mythologischer Elemente
in die Natur freilich nur als eine poetische Scenerie sich
darstellt, die dem ganzen Standpunkt des Gedichts, na-
mentlich der mythologischen Construction der Hölle ent-
spricht; so erscheint auch diese Vorstellung von Gottheiten.
die in das menschliche Leben eingreifen, als eine poetische
Form. Aber man müsste sich über die Unermüdlichkeit
des Dichters wundern, mit der dieselbe, was insbesondere
die Anrufung der Musen betrifft, festgehalten und gerade
an den bedeutendsten Punkten wiederholt wird, wenn es
nur eine Form, wenn sie leer wäre. Dagegen spricht
die Innigkeit, mit welcher er an die „Nährerinnen der
Dichter" (Fegef. XXlI, .105) sich wendet. Vielmehr
wenn wir den Kern der mythologischen Umhüllung suchen,
da es dem Dichter wahrhaft um Hülfe von oben zu thun
und er sich bewusst ist, ein göttliches Werk zu treiben;
so ist es der Geist Gottes, den er anfleht, wenn er Apollo
und den Chor der Musen anruft, wie er anderswo
auch aus den Mythen vom Jupiter die Idee des lebendigen
Gottes hervorsucht. Wie also auch h-ier die heidnische
und die christliche Vorstellung verknüpft oder vielmehr
identificirt werden; so kommen wir auf den Punkt zurück,
von dem wir ausgegangen sind, dass überhaupt die mytho-
logischen Elemente der grossen Dichtung nicht bloss auf
eine poetische Absicht sich zurückführen lassen, sondern
dogmatisch-theologisclien Charakter haben.
Uebrigens ist die Uebereinstimmung bemerkenswerth,
Anders ist es bei Alanus, der allerdings bei dem Ueber-
gang zu den göttlichen Dingen einen Gegensatz macht zwischen
dem irdischen Apollo und der himmlischen Muse, s. oben S. 237.
Piper, Mythol. u. Symbol. d. chr. Kunst. I. 18