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Das Reich der Himmel muss Gewalt erleiden,
Wenn Kraft der Lieb" und Hoffnung es hekriegt,
Denn Gottes Wille wird besiegt von beiden.
Und zum Schluss, indem er die Unerforschlichkeit der
göttlichen Erwählung preiset, ermahnt er die Sterblichen
im Richten an sich zu halten. Hier aber erhellt, welches
die letzte Absicht ist, in der der grosse Dichter Mytho-
logie und Offenbarung zusammenbringt: indem er in dem
Vater der Götter bei den Heiden den wahren Gott der
Christen erkennt, erklärt er, dass dieser es gewesen, den
auch die heidnischen Völker, wenn auch unter fremdem
Namen verehrt haben, und verherrlicht wie seine Ge-
rechligkeit, die schon an den Geschlechtern der Giganten
und Heroen jede Sünde bestraft 1), so auch seine Gnade,
die auch damals wach gewesen und den Weg des Heils
geführt habe.
4. Der mythologische Stoff, der so in das Gedicht
hineingearbeitet ist, zieht nun noch andere heidnische Re-
miniscenzen nach sich, in denen die Ereignisse der Mythen-
geschichte als historische Voraussetzungen verkommen. Es
wird unter den Bildern des gestürzten Hochmuths, wo
von den Giganten die Rede ist, die Scene geschildert 2);
Mars, Phöbus, Pallas standen hoch und hehr,
Auf die zerstreuten Biesenglieder sehend,
Bewaffnet noch, um ihren Vater her.
Und in einem Traumgesieht, in welchem als Beispiel der
Sanftmuth Pisistratus, der Herrscher von Athen, erscheint,
erinnert dessen Gemahlin an den Streit der Athene und
des Neptun um den Namen der Stadt 3) (im Munde einer
1) Dahin gehört es auch, wenn die Verbrennung des Sonnenwagens
auf das Gebet der Erde erwähnt wird mit dem Beisatz: als
Jupiter geheimnissvoll gerecht war, Purg. XXIX, 120.
2) Purg. XII, 31-33.
3) Purg. XV, 98.