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encyclopädisehen Gedicht des Alanus unmittelbar ausge-
sprochen ist, da die Prudentia, welche auf dem Wege
zu Gott bis in den Himmel allein auf dem Wagen, den
die sieben freien Künste gemacht haben, gelangt, von da
ab durch die Theologie und den Glauben bis vor den
Thron Gottes geführt wird.
Bei Dante aber leitet die Allegorie, da beide Führer
Virgil und Beatrice eine repräsentative Stellung haben,
wieder auf eine umfassende geschichtliche Grundlage zu-
rück: es wird durch diese Personification von Vernunft
und Offenbarung das Verhältniss des heidnischen ZLIIII
christlichen Weltalter zur Anschauung gebracht. Also
einerseits der Gegensatz, dass man vom Heidenthum aus
das verlorne Paradies nicht wieder finden, noch weniger
darin eintreten konnte, dass erst durch das Christenthum
der Zugang wieder geöffnet werden, andererseits
der Zusammenhang, dass auch das Heidenlihum eine gött-
liche Sendung gehabt, da Gott die Heiden ihre Wege
wandeln liess, 0b sie ihn fühlen und finden möchten.
Allerdings, dass man im heidnischen Alterthum den
wahren Gott nicht erkannt habe, spricht Dante selbst
dem Virgil gegenüber aus 1), wie auch dieser jene Zeit
die der falschen und lügnerisehen Götter nennt 2). Ins-
besondere verwirft er die Verehrung der Gestirne in
astrologischem Wahn, in welchem „fast alle Welt sich
einst dahin verirrte, sie Jupiter, Mercur und Mars zu
nennen." 3) Und rügt der alten Völker alten Irrthum, dass
sie der Venus göttliche Ehre erwiesen 4). Er weiset
nicht minder wie hier in der sittlichen Sphäre den Ein-
1) Auch Aristoteles und Plato nennt er unter so vielen, die ohne
Erfolg nach Erkenntniss gestrebt hätten, Purg. III, 40-44.
2) Dante Inf. I, '72.
3) Par. IV, 61-63.
4) Par. VIII, 1-12.