256
nicht allein den Gang des Aeneas durch die Unterwelt
geschildert, sondern am Schluss desselben auch die Rei-
nigung der Seelen, namentlich durch Feuer verkündet und
ihre Rückkehr auf die Oberwelt, nachdem s-ie aus dem
Lethe getrunken. Aber den wahren Gott hat er noch
nicht erkannt 1); weshalb man auch in die Stadt Gottes
durch ihn nicht gelangen kann 2). S0 nimmt denn auch
Virgil auf dem Gipfel des Fegefeuerherges von Dante
Abschied 3): er geht noch mit ihm bis an den Lethe,
der sie noch vom irdischen Paradiese trennt, ist dann
aber plötzlich V0FSClltVlIl1d0ll4). Und die himmlische Frau
Beatrice, die den Virgil zu Dante gesendet, ist fortan
vom irdischen Paradiese durch alle Himmel seine Führerin.
Die Dichtung knüpft also allerdings geschichtlich an
die Person und das Werk VirgiPs an: es wird ihm eine
göttliche Sendung laeigeinessen, er erscheint auf der Höhe
des Heidenthums stehend als ein Vorläufer des Christen-
thums. S0 gilt er denn für eine Auctorität, selbst im
Bereich der christlichen Erkenntniss, gerade wie Ari-
stoteles den Scholastikern 5). Dante sucht die Grundsätze
VirgiFs mit denen des Christenthums in Uebereinstimmung
zu bringen, namentlich den Ausspruch desine fata deum
tleeti sperare preeando (Aen. VI, 376.) mit der Lehre
Dante Infern. I, 131. Dante beschwört. ihn bei dem Gott, den
er nicht erkannt habe, wohl eine Anspielung auf Apostel-
geschichte 17, 23.
2) Inf. I, 124-126. vergl. Pnrg. XXI, 32. 33.
3) Pnrg. XXVIl, 127 Il'. vcrgl. Inf. I, 121-123.
4) Purg. XXIX, 56. XXX, 49.
5) Auch Dante nennt den Aristoteles den Meister der Wissenden.
Inf. IV. 131. und führt ihn als den Philosophen schlechthin
neben dem 1. Buch lllosis als Anctorilät an, Inl'. XI, 97-108.
S. bes. Göschel Dante's Unterweisung über Schöpfung und
Weltordnung S. 38. 44-60.