Dante.
Das grosse, Himmel, Erde und Hölle umfassende
Gedicht Dante's hat von jeher ein doppeltes Interesse
erweckt vermöge seiner geschichtlich politischen Be-
Ziehungen und seines theologischen Gehalts, der in vielen
Schilderungen zumal der beiden ersten Theile überwiegend
von ethischer Bedeutung ist, überall aber in's dogmatische
Gebiet eingreift, aus welchem auch manche Lehren vor-
nehmlich im dritten Theil direct erörtert werden. Ein
besonderes Interesse aber nimmt es noch in Anspruch
nach seiner Stellung zu dem heidnischen Weltalter,
nicht nur weil es Zeugniss giebt von dem neuerwachten
Studium des klassischen Altcrthums, namentlich der latei-
nischen Dichter Virgil, Ovid, Lucanus, Slatius (während
die griechische Vorwelt nur durch deren Vermittelung
dem Verfasser aufgeschlossen ist und für die Be-
lebung dieses Studiums selbst kräftig gewirkt hat; sondern
vorzüglich weil in die christliche Dichtung die heidnische
Mythologie, die Götter- und Heroengeschichte durch-
gehends verflochten ist, in einer Weise, die nicht
bloss auf eine poetische Absicht zurückgeführt werden
kann, sondern dogmatisch-theologischen Charakter hat.
l. Sehr bedeutend in dieser Hinsicht ist die Stellung,
welche dem Virgil gegeben wird. Er erscheint einerseits
als römischer Dichter und Repräsentant des klassischen
Alterthums, den Dante als seinen Meister und als unsere
grösste Muse feiert 2). Noch höher wird er dadurch
gestellt, dass er den christlichen Dichter, der ihm als
Seinem Hort die grösste Pietät heweiset, durch die Hölle
und das Fegefeuer führt. Denn Virgil hat in der Aeneide
Vergl.
Inf. I.
Dante Inf. XXVI,
85. Par. XV, 26.