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vür war so kumt Amor gevlogen,
der bringet vakkeln unde bogen:
sin strale vert dur ganze want,
darnach so wirket er den brant.
Solcher Poesie entsprechen auch die Kunslvorslel-
lungen in einigen Minnesängergemälden der Manessesehen
Handschrift 1) zu Paris aus dem Anfang des vierzehnten
Jahrhunderts.
Zweimal ist die Minne dort persönlich dargestellt
und zwar als ein Fräulein zu Pferde: das einemal in
dem Gemälde zu Wachsmuth von Mülnhusen 2), wie sie
im Begriff ist, auf den hinter ihr stehenden Mülnhusen
einen Pfeil abzuschiessen; das anderemal in dem Ge-
mälde zu Bruno von Hornberg 3), wie sie vor dessen
Burg mit goldenen Banden ihn fesselt. Beides bezieht
sich auf bildliche Ausdrücke in ihren Liedern: bei dem
erstern, dass die Augen der Geliebten einen Strahl in
sein Herz geschossen haben; der andere klagt, dass die
Geliebte ihn mit ihren Minnestricken gebunden habe.
Dazu kommt noch das Gemälde Ulrieh's von Liehtenstein 4),
welches den Ritter zeigt in voller Rüstung zu Bosse,
durch ein wogendes Meer mit kämpfenden Ungeheuern
Sprengend: und auf seinem Helm einen Knaben mit Pfeil
und Brand in den Händen, das ist Amor, wie der
Ritter selbst jene Fahrt von Venedig aus als Frau Venus
machte.
Ich schliesse hieran die Erwähnung zweier hölzernen
Kästchen, welche zu Minnegeschenken bestimmt, innen
der altd.
K. Akad.
1) von der Hagen Ueber die Gemälde in den Samml.
lyr. Dichter. 2. Th., Philol. und histor. Abhdl. der
der Wiss. zu Berlin. Jahrg. 1844. S. 291. f. 312.
2) von der Hagen Minnes. Th. IV. S. 260.
3) Ebendas. S. 409.
4) Ebendas. S. 394.