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darüber Belehrung empfängt (v. 9588 III); gleich darauf
aber, als sie allerersten den Aeneas erblickt, wird sie
von Frau Venus mit einem scharfen Pfeil verwundet
(v. 9873). Da klagt sie 1):
Der herre Amor hät nlich geschozzen
mit dem guldenen göre ,
daz muoz ich quälen söre,
und muoz iz koufen tiure,
mit dem heizen viure
brennst mich vrowe Venus;
ichn mac niht lange lebn sus.
Es ist eine sinnige und rein gehaltene psychologische
Entwickelung, welche der Dichter darhietet, worin nichts
antik ist, als die Verflechtung dieser mythologischen Mo-
tive, die in demselben Zusammenhang alsbald auch
von den zeichnenden Künsten angeeignet wurden.
Der
Minnedienst.
Nicht bloss in der Bearbeitung der antiken Heroen-
sage erscheinen jene mythologischen Vorstellungen, sie
sind auch in die selbständige Poesie, selbst in das ge-
meine Bewusstsein und das Leben dieser Zeit eingedrungen.
Und so sind sie auch in Gemälde und Sculpturen über-
gegangen, die nicht bloss der Poesie zur Seite stehen, son-
dern selbständig im Dienst der Minne hervorgebracht sind.
Diesem Interesse dient vor allem ein Kunstwerk in
der K. Kunstkammei- zu Berlin, ein anmuthiges Elfenbein-
schnitzwerk 2) aus dem dreizehnten Jahrhundert. Man
1) V. 9947-9953. in der Dlüllerschen Samml. Deutscher Ged. aus
d. XII. XIII. u. XIV. Jahrh. Bd. I.
2) I. A. b. 111. (v. Ledebur) Leitfaden für die K. Kunstkamnner
S. 4.; ausführlicher beschrieben von Kugler Beschreib. der
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