232
und Religion der alten Völker, welches freilich lange
Zeit auf Umwegen Nahrung suchte, ehe die klassische
Literatur selbst in die mittelalterliche Bildung eindrang.
Vor allem war es ein wissenschaftliches Interesse,
welches der Richtung der Kunst auf das Alterthum noch
voranging, nehmlich die encyclopadische Behandlung der
weltlichen Wissenschaften , welche im zwölften Jahrhundert
einen neuen Weg einschlug und reger Theilnahme sich
zu erfreuen hatte: dadurch kamen auch mythologische
Ideen in Umlauf und boten sich an zur künstlerischen
Darstellung, wovon in dem Hortus deliciarum der
Herrad von Landsperg Proben zu finden sind.
V Aber auch die Poesie ging in der Aufnahme mytho-
logischer Vorstellungen den zeichnenden Künsten voran,
auf welche sie in einer dreifachen Richtung einwirkte.
Theils in Zusammenhang mit jenem wissenschaftlichen
Interesse als didactische Poesie, da man den gesammten
Umfang des Wissens in der Unterordnung unter eine
christliche Idee darzustellen unternahm , wie in eben jenem
Jahrhundert in dem Anticlaudianus des Alanus geschehen
ist, nachdem schon zu Anfang des eilften Jahrhunderts
das encyclopädische Gedicht des Marcianus Capella in's
Deutsche übersetzt war, welches später auch mythologische
Kunstvorstellungen hervorgerufen hat. Dahin wirkte von
einer andern Seite die epische Poesie, welche die klas-
sische Heldensage sich aneignetc, freilich zunächst nur
durch Uebertragung französischer Bearbeitungen: so ward
die Aeneis gegen Ende des zwölften Jahrhunderts von
Heinrich von Veldeke gedichtet; häufig geschah es
mit der Sage vom trojanischen Krieg, die schon im
zwölften Jahrhundert in's Deutsche übersetzt, dann im
dreizehnten durch Herbert von Fritzlar, Conrad von
Würzburg u. A. bearbeitet ist. Wie aber hier das Epos
die Geschichten der griechischen Heroen nach mittelalter-