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fliessenden Strom fallen, sei sie nicht in den Fluss, wie
sie gefürchtet, sondern auf die nahe Erde gefallen. Worauf
sie aufgewacht, und schon wach, schon wieder zu sich
gekommen, sei sie doch an allen Gliedern erstorben und
noch zitternd gelegen. Eben so ein Brausen grosser
Gewässer, das Bewegen von Strömen, über welche der
einsame Weg zur andern Heimath führet, erschreckte die
Seele einer scheinbar sterbenden heidnischen Königstochter
in Mexico, so wie die eines europäischen Christen 1). „Es
scheint auch die jenseitige Welt zu dem Geist des Menschen
noch in jener grossen Bildersprache zu reden, deren Werk
und Ausdruck die ganze sichtbare Natur ist."
Dadurch muss das Urtheil über die Aufnahme solcher
Bilder in die Zeichensprache der altchristlichen Kunst sich
bestimmen.
Fortsetzung.
Interessant ist zu sehen, wie diese Kunstvorstellungen
seit dem eilften Jahrhundert, nachdem die Ideen schon
früher verbreitet waren, festere Gestalt gewinnen.
Dabei zeigt sich, jener ztviefachen Vorstellung des
Alterthums entsprechend, der Unterschied, dass durch
eine solche Meerfahrt theils der Weg zum seligen Leben
im Geleit von Heiligen, theils der Weg zur Hölle unter
Verfolgung von Dämonen abgebildet wird.
1. Eine Vorstellung der ersteren Art zeigen die
Basreliefs am Portal der Kirche Notre Dame von Semur 2),
Zum Andenken Robert's I., Herzogs von Burgund seit
L
Schubert Gesch. der Seele g. 2a. 2. Aun. s. 315. 330.
2) Abgebild. bei Millin Voy. dans Ie midi de la France T. I.
p. 193. Pl. XII; in grüsserem Maasstab bei De Laborde
Monum. de la France T. II. Pl. CLXI.
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