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Uebrigens wenn auch die Darstellung, das heisst das
Gebilde der Tritonen, der Fabel angehört; so ist doch
der Gedanke keineswegs heidnisch, wiewohl er ein my-
thisches Gepräge hat. Denn jene Tradition, nach der
die Verstorbenen über dunkele Ströme, oder gar über
den Ocean mussten, beruht auf einer natürlichen, allge-
mein menschlichen Anschauung. Es ist eine Symbolik
von dem Schicksal der Seele im Tode, die sich zu allen
Zeiten bei den verschiedensten Völkern wiederfindet: sie
scheint auch jenem uralten "christlichen Sinnbilde, dem
mit vollem Segel in das Meer hinaussteuernden Schilf
nicht fremd zu sein 1).
Namentlich schweben Bilder dieser Art der Seele,
der das Gefühl des Abscheidens nahe getreten, wie auch
im Scheintode vor. S0 wird von der Hadumod 2),
erster Abbatissin des Klosters Gandersheim (geb. 840,
gest. 874), einer ehrwürdigen und gottseligen Frau, deren
Leben jüngst Rückert als ein „Klein0d unserer Vorzeit"
in deutscher Uebertragung mitgetheilt hat, ein Traum
erzählt, den sie nicht lange vor ihrer letzten Erkrankung
gehabt, worin sie ein Rad von wunderbarer Grösse
gesehen habe, in dessen Schaufeln verschiedene Thier-
gestalten verschlungen waren; sie aber mit ihren meisten
Mitschwvestern sei an der Axe auf der Nahe des Bades
in die Speichen wie mit gewissen Kettchen fest gebunden
gewesen, und zugleich mit dem Rade, das ein darunter
laufender Strom mit wunderbarer Geschwindigkeit umge-
dreht, herumgewälzt worden; und als sie, wie es ihr
vorkam, erstarrt sich ängstete, sie möchte in den darunter
1) Vergl. Münter Sinnb. I. S. 100.
2) Agii Vit. Hathumodae c. 11. in Pertz. Monum. German. T. VI.
p. 170. Das Leben der Hadulnod, aus dem Lat. übers. von
Fr. Rücken, S. 16.