Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in's sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 1)

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Eher könnte ein anderes in derselben Halle befind- 
liches Gemälde 1) für ein christliches Werk gelten. Da 
sitzen eben so vor einem Kissen sechs Personen, Männer 
und Weiber: Schüsseln und ein Krug stehen vor ihnen. 
Zwei von ihnen sehen betroffen vor sich hin, während 
zwei andere die Hand lebhaft erhebend nach der Thür 
blicken, durch welche zwei Personen eintreten: eine ver- 
schleierte weibliche Figur geführt von einer männlichen, 
die bis auf die Füsse bekleidet ist. Ueber jener steht 
der Name Ubie (Vibia), über der Thür die Aufschrift 
Inductio. Diese Scene ist ganz so, wie auf antiken Denk- 
mälern die Einführung der abgeschiedenen Seele durch 
den Mercur in die Unterwelt vorgestellt wird. Aber über 
dem Führer steht hier der Name Angelas Bonus, über 
dem ganzen Gemälde die Aufschrift Bonorum Judicio. 
Hiernach erklärt Bot-tari dasselbe von dem himmlischen 
Gastmahl, zu welchem die Vibia von ihrem Schutzengel 
eingeführt werde,  nach dem Gericht der Heiligen, 
von denen der Apostel sage (1. Cor. 6, 2): Wisset ihr 
nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden. In 
diesem Fall wäre allerdings für ein christliches Werk ein 
'l'ypus der antiken Kunst, der Mercuritis tpvgononnög 
ilachgeahmt wortlen 2).  Allein der Angelus bonus ist 
wohl nicht nothwe;1clig' für ein Zeichen christlichen Ur- 
Sprungs zu nehmen. Das Gemälde ist dem vorigen ver- 
wandt, wie ja die eine Scene, das Gastmahl, ganz die- 
selbe ist. Mithin, da es auch an demselben Orte sich 
I) Abgebildet bei Bottari T. III. p. 1. und erläutert p. 110 III, 
so wie von Baoul-Itochette Prem. Mem. etc. p. 55_56. 
2) Dass Hermes Psychopompos christliches Symbol in einer der 
alten ganz ähnlichen Bedeutung und Beziehung werde, behauptet 
Osaiui, Zeitschr. für die Alterthumswissensch. 1840. S. 325., 
und verspricht, an einem andern Ort davon zu handeln.
	        
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