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von 1471 oder 1472 hat vor kurzem die K. Bibliothek
zu Berlin erworben, welche ausserdem eine lateinische
Ausgabe besitzt. Die Bilder sind in beiden verschieden.
Auf die erstere beziehe ich mich im Folgenden, da sie
allein sämmtliche 45 Kapitel des Werks enthält.
Der Inhalt desselben ist grösstentheils aus der heil.
Schrift genommen, manches aus der Legende. Einmal
(Cap.XIX.fig.1.) wird die Glossa in Matthaeuni, einige-
mal der h. Bernhard angeführt, die Hauptquelle zur
Ergänzung der biblischen Geschichte aber ist die (vorhin
erwähnte) Historia scholastica. Eine Probe dieser Er-
gänzung und der typischen Behandlung der Geschichte
giebt die Erklärung zu dem Bilde, welches die Geisselung
des Lamech durch seine beiden Weiber" darstellt 1) als
Typus zu der Geisselung Christi (Cap. XX. fig. Man
soll wissen, heisst es da, dass zweierlei Volks Christum
geisselt, und die zwei Völker, sind bezeichnet durch die
zwei Weiber des Lamech, Namens Sella und Ada: das
sind die zwei Völker, die Heidenschaft und die Juden-
schaft. Sella und Ada behandelten ihren Mann übel mit
Worten und mit Streichen; die Heiden und die Juden
geisselten ihren Heiland: die Heiden schlugen ihn mit
Geisseln und mit Buthexi, die Juden geisselten ihn mit
Zungen und mit Worten.
Die Einrichtung des Werks ist diese. Die beiden
ersten Kapitel, jedes in vier Bildern, zeigen Schöpfung
und Sündenfall mit seinen Folgen und die Sündfluth; die
drei letzten Kapitel, jedes in acht Bildern, die sieben
Stationen des Leidens Christi, die sieben Schmerzen und
dieses Speculum, die ebenfalls noch aus der ersten Hälfte des
vierzehnten Jahrhunderts herrührt, spricht Waagen a. a. O.
1) In der Hist. scholast. Geiles. c. 28. steht aber nur: mulieres
suae saepe male tractabant eum.