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2. Solche Parallelen und Typen auch in Kunstdenk-
mälern zur Anschauung zu bringen, dazu hat um dieselbe
Zeit die bildliche Ausschmückung einiger Handschriften
Anlass gegeben, in deren Text es ganz eigentlich auf
diese Zusammenstellung abgesehen ist.
Es ist dies erstens eine Handschrift aus dem Anfang
des vierzehnten Jahrhunderts in der Bibliothek zu Bouen 1),
welche „Fabeln des Ovid enthält, angewandt auf die Moral,
mit Rücksicht auf den Tod Christi, auf die Apostel, die
Märtyrer und den Stand der Welt." Zahlreiche Miniaturen
stellen abwechselnd mythologische Gegenstände und andere,
die aus der heiligen Schrift genommen sind, vor. Doch
wohl so, dass die lelztern auf die ersteren bezogen werden:
es scheint aber, nach einem Ausdruck in der Aufschrift zu
schliessen 2), dass sie mit einander in Gegensatz gebracht
sind. Ich bedaure das Verhiiltniss, welches zwischen diesen
beiden Bestandtheilen obwaltet, nicht weiter verfolgen zu
können, da es an allen Angaben dazu fehlt.
3. Deutlich liegt aber die Anwendung der Profan-
und Heroengeschichte als Gleichniss oder Instanz für die
evangelische Geschichte in zwei Werken vor, die es un-
mittelbar mit der typischen Erläuterung oder Vertheidigung
der letzteren zu thun haben.
1) Langlois Essui sur la calligr. des Mss. du moyen age.
p. 40.
2) Der Titel lautet: Ci commencent les rebriches des fables ovide
le grant translatees et ramenees a moralite et a voir sus la
mort de Ihu crist et sus les martyrs et sus Pestat du monde.
Das Wort- rebriche, das in den meisten Lexicis fehlt, ist nach
Le grand Vocabul. Franq. Par. 1772. 4. T. XXIV. s. v. ein alter
juristischer Ausdruck für Prozessschriften , welche die streitenden
Partheien gegen einander vorbringen: es seheint demnach hier
angewandt auf die einander entgegen gestellten Erzählungen aus
Ovid und der heiligen Schrift.