Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in's sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 1)

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Miniaturen,  wie es überhaupt von der Kunst des Mittel- 
alters nicht wiederholt ist. Zwar hat man in einem Miniatur- 
bild aus dem zehnten Jahrhundert, in dessen Mitte ein 
Mann die Leier spielend, umgeben von Schaafen und Ziegen 
vorgestellt ist, den Orpheus erkennen wollen 1). Allein 
dies Bild, welches eins der oben (S. 4, 9. S. 25) cr- 
wähnten Miniaturen aus einem Psalteriuni zu Paris ist, 
stellt nicht den Orpheus, sondern den David dar (vergl. 
unten s.  
Diese Vorstellung nun des Orpheus und die darin 
enthaltene Deutung seiner Geschichte und Person auf 
Christus findet theils eine künstlerische, theils und zu- 
nächst eine theologische Erklärung. 
Eine solche Deutung nehmlich ist schon durch die 
ältesten Kirchenlehrer eingeleitet," bei denen aber Orpheus 
nicht sowohl als Typus, sondern vielmehr als Antitypus 
Christi erscheint. Zuerst Clemen-s von Alexandrien 
zu Ende des zweiten Jahrhunderts gedenkt 1) jenes Mythus, 
dass dieser Thracische Sophist allein durch seinen Gesang 
Wilde Thiere gezähmt und Bäume verpflanzt habe; erklärt 
dann aber den Orpheus und Andere seines Gleichen für 
Betrüger, die unter dem Schein der Musik die Sitten 
verdorben, die Menschen zuerst zum Götzendienst geleitet 
und so sie durch Gesang und Zauberei in die äusserste 
Knechtschaft gestürzt hätten. Nicht so mein Sänger,  
fährt er fort, der gekommen ist, die bittere Knechtschaft 
der tyrannischen Dämonen zu brechen; er allein von allen 
hat das schlimmste Wild, die Menschen, gezähmt, nehm- 
lich die Vögel, das sind die Unbeständigen unter ihnen, 
das Gewürm, die Trügerischen, und Löwen, die Leiden- 
1) Duval Monum. des arts du dessin rec, par le B. Denon. T. 
zu Pl. XXXIX. 
2) Clem. Alex. Cohort. ad Graec. c. I. p. 2-4. ed. Potter.
	        
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