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Gemäss dieser Vorstellung sieht man den Orpheus
in zwei Wandgemälden im Cömeterium des Callistus 1).
In beiden erscheint er sitzend zwischen zwei Bäumen,
mit einer phrygischen Mütze bedeckt und eine Leier spie-
lend, welche das einemal fünf, das anderemal vier Saiten
hat; zahme und wilde Thiere, welche sein Spiel herbei-
gelockt hat, hören ihm aufmerksam zu: Tauben und ein
Pfau, welche" auf denBäumen sitzen, ferner in dem
einen Gemälde ein Pferd, zwei Schaafe, eine Schlange,
eine Schildkröte, ein Häschen zu den Füssen eines Löwen
und ein Hund; in dem andern ein Rind, zwei Kameele
und zwei Löwen. Der christliche Ursprung dieser Ge-
mälde ist evident durch die dabei stehenden biblischen
Geschichten: in dem letztern, welches ein Wandgemälde
ist, sieht man oberhalb des Orpheus Maria mit dem Kinde
und Moses, welcher Wasser aus dem Felsen schlägt,
in dem erstern, einem Deckengemälde, sind ringsherum
zwischen ländlichen Scenen vorgestellt: David mit der
Schleuder, Moses, der Wasser aus dem Felsen schlägt,
Daniel in der Löwengrube und Christus, der den Lazarus
auferweckt. Eine sinnvolle Zusammenstellung: denn jene
Alttestamentlichen Scenen geben Zeugniss, wie der Mensch
in seiner Schwäche, wenn er mit göttlicher Kraft aus-
gerüstet ist, nicht allein einer rohen menschlichen Gewalt,
sondern selbst der Natur obsiegt, ihre Gaben ihr ab-
nöthigt, ihre Schrecken zähmt 4 dies alles aber als Vorbild
Christi, der in angeborener Herrlichkeit die Wunderkräfte
in sich vereinigt, wie er selbst auch als Herr über den
Tod dort vorgestellt ist.
1) Das eine beißosio p.239. Aringhi T. I.p. 547. Bottari T. II.
Tav.LXIlI. d'Aginc0 nrtPittur. Tav. VI, 3. Münter Sinnb.H.I.
Taf. III. n. 64. Kinkel Gesch. der bildenden Künste bei den
Christ]. Völkern. 5.42. 202. Taf. VI, a. Das andere bei B0 sio
p. 255. Aringhi T. I. p. 563. Bottari T. II. Tav. LXXI.