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mit mehreren Lämmern. Hier ist auch Christus persönlich
ganz in der Tracht des guten Hirten gebildet mit aufge-
schürzter Tunica und dem kurzen Mantel (der Penula)
darüber, mit einem Stabe in der einen Hand, mit der
andern eins der Lämmer liehkosend. Doch ist auch um-
gekehrt einmal der spätere Typus Christi für das Bild
des guten Hirten benutzt worden, auf einer Lampe 1), auf
welcher derselbe bärtig vorgestellt ist.
S0 dürfte auf dem Wege organischer Entwicke-
lung der ältere Typus des Christusbildes abgeleitet wer-
den, während die behauptete Abhängigkeit von dem
Geist der griechischen Kunst und ihren Göttergestalten
der jungen christlichen Kunst, die so leise und scheu
auftritt, fremd erscheint: ein Apollogesicht ist man sich
da kaum vermuthend. Jener Weg führt aber weiter.
Indem bei dem Hinausschreiten über den symbolischen
Standpunkt, in dem Maass als die christliche Kunst ihrer
selbst und ihrer höchsten Aufgabe sich bewusst wurde,
das Streben zunahm, Christus persönlich zur Darstellung
zu bringen, genügte jener ganze Typus nicht mehr, man
verlangte mehr Ausdruck, mehr Würde und Gewicht:
und so ist aus der in christlichem Geist frei schaffenden
künstlerischen Phantasie der andere Typus geboren. Dass
diese Richtung auf die persönliche Auffassung Christi zu
dem Schritt geführt und die ganze Entwickelung beherrscht
hat, lässt sich durch die merkwürdigen Reliefs eines alt-
christlichen Sarkophags 2) erläutern, der später Gregor
dem Fünften zum Grabmal gedient hat und jetzt in den
Vaticanischen Grotten aufbewahrt wird: man sieht in diesen
Reliefs den Uebergang von dem einen Typus zu dem
1) Bei Bartoli Lucern. P. III. Tab. 28. M ünter Sinnb. H. I.
S. 63. Taf. II. n. 35.
2) Bei Bosio p. 61. Aringhi T. I. p..293. Bottari T. I.
Tav. XXI.