S8
Im Fortgang derselben Bestrebungen ragen dann die
Arbeiten des Nicola Pisano hervor, insbesondere haben
wir die Kanzel in der Taufkirche zu Pisa vom J. 1260
zu bemerkeni in den Reliefs derselben sind geradezu die
Gestalten des Olymp in die heilige Geschichte versetzt,
deren Personen ihre Züge tragen. Zwar in den Figuren
der Kreuzigung, welches unter diesen Reliefs für das
älteste gehalten wird, zeigen sich die heidnischen Ein-
ilüsse noch nicht: doch sind unterhalb der Kreuzigung
die allegorischen Figuren der Unschuld und Treue in der
Gestalt des Jupiter und der J uno gebildet 1). Aber in
dem Bilde der Darbringung im Tempel treten jene Ein-
flüsse entschieden hervor: Maria ist eine J uno und Simeon
trägt das Haupt des eapitolinischen Jupiter; Joseph ist
ein Homer; der Hohepriester findet sich in einem Bacchanal
auf einer alten griechischen Vase als bärtiger Bacchus,
aber der denselben unterstützende nackte Faun ist hier
zum bekleideten Tempeldiener geworden 2).
Hieraus ist klar, dassNicola Pisano bei dieser Ein-
führung heidnischer Typen in die christliche Kunst nur die
Formen der Antike nachgebildet hat, ohne den Charakter
derselben zu berücksichtigen und die in jenen Formen
ausgeprägte Idee mit herübernehmen zu wollen. Denn
was hat Simeon, was hat die Unschuld mit dem Jupiter
gemein? Es ist also nicht von einem materiellen Typus,
von Kunstvorstellungen, die nach Form und Inhalt über-
tragen werden, hier die Rede. Jene formellen Typen
aber geben Zeugniss von der Gewalt, welche die Vor-
bilder des Alterthums auf den Geist des Künstlers übten,
so wie von der Kühnheit, mit der er sie ergriff, noch
E. Förster Beitr. zur neueren Kunstgesch. S. 32. 47. Vergl.
über das Bild der Anbetung der Könige, ebendas. S. 41. f.
z) E. Förster a. a. O. S. 44. f. 46.