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Auch der Baum, an welchem das goldene Vliess
hängt, in dem heiligen Hain zu Kolchis ist von einem
Drachen bewacht, der sich um seinen Stamm windet,
als Jason erscheint, das Vliess zu holen, eine Vor-
stellung, welche ein Karneol und zwei antike Pasten der
Stoschischen Sammlung 1), auch eine Gemme in der Samm-
lung der Academie von Cortona 2) zeigen.
Die nächste Gelegenheit jedoch, den schlangen-
umwundenen Baum in der Darstellung des Sündenfalls
nachzubilden, gab jene Scene des Hesperidenmythus, da
dieselbe auch durch die Apfelpflückung einen Verglei-
chungspunkt darbot.
2. Noch für eine andere Beziehung könnten die
Kunstvorstellungen des Hesperidenmythus einen Typus
hergegeben haben, wiefern in denselben der Drache,
der um den Baum sich ringelt, besänftigt wird durch
Vorhalten einer Schale, nur ausnahmsweise von dem
Hercules selbst oder dem Atlas, meist von einer der
Hesperiden 3).
An diese Scene erinnert nehmlich eine seltene und
merkwürdige Vorstellung altchristlicher Sarkophage: einer
Schlange, die um einen Baum sich emporwindet oder auch
frei sich erhebt, wird von einem Manne eine Frucht
dargereicht über einem Feuer, das auf einem Altar brennt.
Diese Vorstellung findet sich auf einem Sarkophag aus
dem Vaticanischen Cömeterium 4), und auf einem andern
L
1) Tölken Erkl. Verzeichn. Kl. IV. n. 141-143. S. 270.
2) Millin Mytholog. Galler. n. 424 11.
a) Gerhard Archemoros und die Hesperiden a. a. O. S. 314.
König Atlas und der Hesperidenmythos Taf. I. II.
4) Bosio p. 57. Aringhi T. I. p. 289. Botlrari T. I. p. 69.
Tav. XIX. Jene einzelne Gruppe auch bei Münter Sinnb.
H. I. Taf. IV. n. 79.