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Inschrift, für den Sündenfall zu nehmen: denn Hercules
ist gar nicht zu verkennen an der Keule und dem Fell;
nicht zu gedenken, dass nicht Eva unter dem Baum schlaft,
während Adam den Apfel pflückt, sondern „sie gab ihrem
Mann von der Frucht und er ass" (Genes. 3,
Noch irriger ist die Meinung' 1), dass in jener Fabel
geradezu die Geschichte von Adam und Eva enthalten
sei. Es hängt dies zusammen mit einer schon von den
Kirehenvätern in apologetischem Interesse geltend ge-
machten, von Huetius wieder aufgenommenen Ansicht
von der Mythologie, dass viele Vorstellungen derselben,
so wie der heidnischen Philosophen aus dem Alten Testa-
ment entlehnt seien." Diese ganze Ansicht ist verschollen.
Was aber insbesondere jene That des Hercules betrifft,
so ist in dem eigentlichen Gehalt derselben gar keine
Aehnlichkeit mit der Geschichte Adams. Es findet viel-
mehr der Gegensatz statt: erstens, dass von der Schlange
die Eva zu dem Genusse der verbotenen Frucht einge-
laden wird, der Drache aber dem Hercules den Raub der
Aepfel verwehrt, so dass er [nach der einen von den
Tragikern und Apollonius Rhodius überlieferten und be-
sonders auf den plastischen und glyptischen Denkmälern
römischer Zeit befolgten Gestalt der Sage 2)] erst von ihm
getödtet werden muss. Sodann aber, was den Sinn der
Geschichte im Ganzen betrifft, dass die Erzählung der
Genesis eine ethische Bedeutung hat, die Fabel der
Mythologie aber eine physische, da die Aepfel am Baum
Hesperias den nächtlichen Natursegen und in ihrer Drei-
zahl die dreifache Erndte glückseliger Lande bezeichnen,
1) Von de Vita, worin schon Spanheinn (an dem oben S. 68.
Anm. "l. angef. Ort] u. A. ihm vorangegangen sind.
2) S. Gerhard Archemoros und die Hesperiden S. 314. 317.
König Atlas im l-Iesperidenmythus S. 113.