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Poesie ausschliesst. Im Gegentheil, wenn die ältere Kunst
in Durchführung mythologischer Motive den Eingebungen
der Dichter folgt; so sind die neuern Meister der Land-
Schaftsmalerei selbst Dichter: sie haben was durch Auf-
geben des Mythus an Poesie verloren gegangen sein
möchte, anderweit reichlich wieder eingebracht, sei es
durch Unmittelbarkeit und schöpferische Kraft der Vor-
Stellung, oder durch Tiefe und Wahrheit des Gefühls,welche
aus ihren Werken spricht. So viele Gemälde der grossen
Landschaftsmaler erwecken das idyllische Gefühl der Stille
und Ruhe, des ländlichen Friedens, der frischen Kühle
eines schönen Morgens, die Stimmung der Waldeinsam-
keit, das sehnsüchtige Gefühl der Ferne oder das melan-
cholische Gefühl der Vergänglichkeit. In andern ist die
Poesie der Schilderung: in einem Gemälde von Willem
van de Velde dem jüngeren 1) ist eine Küste mit einer
hochgehenden See dargestellt, über welche eine dunkle
Wolke tief herabhängend ihren schwarzen Schatten wirft,
welche an das Homerische „und vom Himmel herab sank
Nacht" erinnert. Umgekehrt machen manche Gedichte
den Eindruck von Gemälden, wie in der Genofeva von Tieck:
Dicht von Felsen eingeschlossen,
Wo die stillen Bächlein gehn,
Wo die dnnkeln Weiden Sprossen,
Wunsch" ich einst mein Grab zu sehn.
Und wie es im Faust heisst:
Doch ist es jedem eingehoren,
Dass sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
Wenn über uns im blauen Raum verloren
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
Wenn über schrollen Fichtenhühen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und über Flächen, über Seen
Der Kranich nach der Heimath strebt.
299.
ebendas.
Sammlung ,
Sir Robert Peefs
In