679
zumal die römische Mythologie trieb in der spätern Zeit
einen Zweig hervor, der an Ausbreitung alle übrigen
Gebilde derselben übertraf, indem alle möglichen Lebens-
verhältnisse, Eigenschaften und Thätigkeiten mythologiscli
aufgefasst, jedes unter den Schutz einer besondern Gott-
heit gestellt wurde. Jedoch die wenigsten von diesen
haben es zu einem geschichtlichen Dasein und wirklichen
Cnltus 1) gebracht, wie die Victoria. Meist blieben es
abstracte Begriffe, Personilicationen, an deren Persön-
lichkeit schwerlich geglaubt wurde.
Künstlerisch aber vorgestellt, waren es vielmehr
poetische Bilder, als mythologische Elemente, welche so
der christlichen Kunst von dem heidnischen Alterthnm
dargeboten wurden.
Die junge christliche Kunst jedoch hat von diesen
Bildern wenig Gebrauch gemacht. Sie war zu sehr er-
füllt von der Wirklichkeit der grossen Thatsachen der
heiligen Geschichte und zu sehr beschäftigt, den über-
schwenglichen Ideen derselben Gestalt zu geben, als
dass sie diesen poetischen Gestalten hätte Interesse ab-
gewinnen nnd sie nachbilden mögen.
lind als sie später mit grosser Energie auch solche
Gegenstände in ihren Kreis zog, war ihr das Alterlhmxi
und seine Kunst frennl gctvorden, dessen Gedanken auch
für sie nicht ausreichten: nun waren es eigene Gedanken,
Erscheinungen des christlichen Lebens, welche in der
0
Davon sprichh mit dem Ausdruck der Verwerfung P n ulin us
von Nola Ep. XVI. ad Juvium (vom J. 399) c. 4. p, 89, cd_
ßhmlmri: Cassu nomina tanquanl ideo nunniua quoque sint, in
spccimn corpurntanl stultis cogitationlibns üngunt, stulßiusqnu:
qnaun iinxerixll, donant honorc divino: unde et Spcs et Nemcsis
cL Amor atque etiam Furor in simulacris colunlur cl, occipiti
cnlvo sucratur Occasio et tua isma Fortuna luhrico male nixa
globo iingitur.