Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in’s sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 2)

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danken, der in der Naturerscheinung sich offenbart, durch 
deren Bild vor Augen zu stellen,  wozu nach dem 
Vorgang des Alterthums die Darstellung der Monate 
schon früher Gelegenheit gegeben hatte. Noch mehr, es 
entstand die Aufgabe, das Gefühl, das in der Natur aus- 
gesprochen ist, in den Rahmen des Bildes zu fassen,  
deren Stellung und Lösung durch die grossen Meister 
des 17. Jahrhunderts der Landschaftsmalerei ihre Weihe 
und Vollendung gegeben hat. Also ist die Naturwahr- 
heit, welche der neuern Kunst eigenthümlich ist, zugleich 
gefühlvoll und gedankenvoll. Ein Beispiel geben zwei 
grosse Bilder von Claude Lorrain 1), der Morgen und 
der Abend, das erstere mit einem Seehafen (und mit der 
Landung des Aeneas in Latium staflirt), das anderemit 
antiken Ruinen und einer Wasserleitung: worin die morgen- 
liche Frische der Natur auf die Anfänge,  die sinkende 
Sonne, deren Strahlen nur noch die Ueberreste ver- 
gangener Herrlichkeit vergolden, auf den Untergang des 
römischen Weltreichs bezogen wird. Die Aufgaben aber, 
welche aus einer solchen Auffassung der Natur hervor- 
gingen, waren so mannichfaltig und charakteristisch ver- 
schieden, dass man sich in sie theilte, indem die Einen, 
wie Claude Lorrain, mehr die Heiterkeit und Ruhe der 
Natur, die Andern mehr den Aufruhr der Elemente 
schilderten, wie Caspar Poussin 2) und Peter de Molyn, 
der davon den Beinamen Tempesta erhalten hat.- 
Hieraus folgt, wenn die moderne Malerei im Gegen- 
satz gegen die antike und mittelalterliche Kunst so auf- 
gefasst wird, als ob sie an die Stelle der poetischen Be- 
handlung der Natur die Naturwahrheit gesetzt habe, dass 
doch diese als Princip der neuern Kunst keineswegs die 
1) In der Sammlung des Grafen Radnor, Waagen 
S. 267. 
2) Vergl. Waagen a. a. O. Th. I. S. 213.
	        
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