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walt haben musste, bevor man sie als Träger von Ideen frei
verwenden konnte. Diesen Unterschied aber auf das Ver-
hältniss zu den Personificationen der Natur angewandt, er-
giebt sich, dass zwar der schärfste Gegensatz zwischen
diesen Personificationen und jener nüchternen Nachahmung
der Wirklichkeit besteht, bei einer wahrhaft künstleri-
schen Behandlung der Landschaft aber dieser Gegensatz
zwischen der antiken, im Mittelalter fortgesetzten und der
modernen Kunstweise einer höhern Einheit Raum lässt.
Denn wenn die antike Darstellung der Natur nach my-
thologischen Motiven die Bescelung derselben zur Voraus-
Setzung hat; so fehlt doch eine seelcnvolle Auffassung der
Natur gewiss nicht den Landschaftsgemälden der neuern
Kunst, welche jene willkürlichen Personificationen Iver-
schmähen. Oder wenn daselbst noch eine Staffage my-
thischer Figuren angewendet ist; so lehrt auch ein flüch-
tiger Vergleich, wo mehr Geist und Leben ist, in dieser
Landschaft oder in den mythischen Gebilden, welche sie
umschliesst. Wie sehr auch die alterthümliche Vertretung
der Natur durch Göttergestalten dieselbe als sinnig und
Charaktervoll erscheinen lässt; so zeigt sich doch die
Naturwahrheit, welche die neuere Kunst erfasst hat, gerade
darin, dass sie in den Sinn der Naturerscheinungen nach
ihrem verschiedenen Charakter eingedrungen ist. Das
Mittel dazu liegt auf dem Wege, den Giotto eröffnet hatte.
Denn wie es als die Neuerung und das wesentliche Ver-
dienst desselben bezeichnet wird 1), dass er statt der
Darstellung von Handlungen, worauf bis dahin die Kunst
Sich beschränkt hatte, es unternahm, auch den Gedanken
bildlich zu erfassen und die Ereignisse des täglichen
Lebens zur anschaulichen Bezeichnung von Begriffen
wierwendete; so lag es auf demselben Wege, den Gc-
Förster Beitr.
zur neuem Kunstgesch.
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