Es liegt in der Natur der Sache, dass dieses Interesse
für Naturwahrheit sowohl auf dem historischen als auf
dem landschaftlichen Kunstgebiet lange Zeit nur als ein
Streiten sich kund gehen konnte, ohne dass ein befriedigen-
der Erfolg ihm entsprochen hatte. Denn dazu bedurfte
ßS eines anhaltenden und eindringenden Studium der
Natur, wie später Ludolf Backhuysen sich mit Lebens-
Qefahr auf die hohe See fahren liess, um die Bewegung;
der empörten Wogen zu beobachten. Es bedurfte dazu
alwh anderer Mittel, als über welche die mittelalterliche
S0 Wie die antike Kunst zu verfügen hatte, nehmlich der
Linien- und Luft-Perspeetive. Hiedurch wurde der
neuem Malerei (während die antike Kunst die Gegen-
Stände nach dem Gesetz der Sculptur neben einander
ordnet, also eine Aufstellung nur in der Breite hat) auch
die Tiefe des Bildes eröffnet, so dass sie über die Ferne
wie über die Nähe verfügen und nach allen drei Dimen-
sionen des Raumes einen treuen Spiegel der Natur geben
konnte. Diese Methoden aber, deren Anfänge der ztveiten
Hälfte des 14_Ja11rhunderts (namentlich dem diAvanzo
VOH Verona) angehören, gelangen zu vollkommener Aus-
bildung erst im Lauf des 15. Jahrhunderts.
3. Doch hatte die Landschaftsmalerei von dieser
Zeit an, von der Stufe, auf welche sie durch die Brüder
van Eyck gehoben war, noch einen weiten Weg V01" Sich
biS zu ihrer Vollendung. Zunächst sind es die landschaft-
lichen Hintergründe, welche wie in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts, so auch von den Meistern des
Madonna dell' Arena zu Padua xiach 1303 ist in dem Bilde der
betenden h. Anna eine spinnende Magd in der Nebenkammer
angebracht. Desgleichen in den vorhin (S. 25.) genannten fran-
ZÖSischen Miniaturen zum Leben des h. Dionysius vom J. 1316.,
wo Städte als Localilat angegeben sind und dabei allerlei Episoden,
z. B. ein Schmidt, eine Frau mit ihrem Arzt, eine Schiffsmülmle.