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sind (wie Mesopotamien, Spanien, Grossbritannien), er-
scheinen ganz als Werke der Natur. Hingegen die Länder,
welche durch politische Grenzen bestimmt werden, so wie
die Städte haben einen gemischten Charakter, da die erstern
ihre Gestalt, die andern ihr Dasein durch Willensakte
und Thätigkeit der Menschen erlangen. Doch tritt auch
in diesem Fall, nachdem der Mensch die letzte Hand an-
gelegt, sein Werk in die Analogie der Naturprodukte
ein: jedenfalls lasst sich auf demGebiet künstlerischer
Personification beides, das natürlich Gegebene und das
menschlich Hinzugebrachte, sowohl nach der Auffassung
des heidnischen Alterthums, als auch nach der Uebung
der christlichen Kunst nicht scheiden.
Die
christliche
Kunst
hat
VOH
dieser
Personification
eine sehr ausgedehnte Anwendung gemacht. Bei der
Heriibernahme der Kunstvorstellung aber aus dem klassi-
schen Alterthum zeigt sich die Verschiedenheit, dass der
heidnische Gedanke in ganzen Kirchengebieten mit ein-
gedrungen ist, anderswo aber entschiedenen Widerstreit
erfahren hat, während das künstlerische Motiv unbefan-
gen zugelassen wurde. Daneben hat von einer andern,
der jüdischen Seite her in der christlichen Ueberlieferung
die Vorstellung von persönlichen Wesen Eingang gefun-
den, die wenn nicht Städten oder Ländern, doch den
Völkern vorgesetzt wären. So tritt in die kunstgeschicht-
liche Entwickelung ein religionsgeschichtliehes Moment ein,
welches geeignet ist, dem Gegenstande ein erhöhtes
Interesse zu erwecken. Indem es aber vorzüglich dar-
auf ankommen wird, die verschiedenen in diesem Bilder-
kreise zusammentreifenden Motive zu sondern und nach
ihrem Ursprung zu würdigen, ist es vor allem erforder-
lich, die Entwickelung dieser Kunstvorstellnng und des
ihr zum Grunde liegenden Gedankens im klassischen
Alterthurn näher in's Auge zu fassen.