D01
7. Auch der Poesie neuerer Zeit ist diese Personi-
iication nicht fremd geblieben, und zwar nicht hloss
in alterthümlich-mythischem Zusammenhang, wo der-
gleichen Bilder sich von selbst verstehen 1); sondern unter
Einführung in die Gegenwart und ihre Interessen,
Wovon eins der schönsten Beispiele in epischer Schilderung
von Shakspeare im König Heinrich IV. gegeben ist 2).
Selbst in dramatischer Scenerie hat Goethe die Nymphe
der Saale so wie die Ilm auftreten lassen, die erstere in
dem Vorspiel zu Eröffnung des Theaters in Halle vom J.
1814 3), wo sie „in Reils Garten" zum Vorschein kommt;
die andere in dem Festspiel zu Ehren der Anwesenheit
der russischen Kaiserin in Weimar vom J. 1818 4), wo
sie „den Feierzug durchschlängelt" und dessen Gestalten
anzukündigen hat: das sind freilich gelegentliche Werke
_des alternden Dichters, die auch an Erfindung und Sprache
diesen Ursprung nicht verleugnen. Aber seiner jugend-
lichen Lyrik gehört das Lied von dem Junggesellen und
dem Mühlbach ü) an, welche von der Müllerin sich unter-
halten, „die selbst im Wasser Liebcsgluth entzündet". Auch
ist aus seiner besten Zeit ein Lied von grossartig epischein
Charakter, genannt Mahomets Gesang 6), welches den Gang
und das Schalfen des Felsenquells schildert von seinem
Ursprung, wo über Wolken gute Geister seine Jugend
genährt, bis zu dem Ziel, da er freudebrausend seinem
Wie
Schiller
bei
Schluss
ü I'll
der Ballade :
Hero
und Leander:
und (der Gott des Meeres) giesst
Aus der unerschöpflen Urne
Seinen Strom, der ewig ßiesst.
2) S. oben S. 5.
a) Goethe s. w. Ausg. von 182a. ßa. XI. s. 337
4) Ebendas. ßa. IV. s. s. s. 12. a2 r. ss r. a9 r.
5) Ebendas. ßa. I. s. 207 er.
S) Ebendas. m. n. s. 55-57.
PiPcr, Myflhnl. u. Symbol. d. chr. Kunst. I. 2.
36