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In diesem Sinn spricht auch Chrysostomus ausführlicher
sich aus bei den erwähnten Veranlassungen. Die Ursache
des Erdbebens, sagt er, ist der Zorn Gottes; die Ursache
des göttlichen Zornes unsere Sünden 1). Aber der Zorn
ist nicht ohne Liebe, wie es zuvor heisstz): „ihr habt
gesehn die Macht Gottes und seine Menschenfreundlich-
keit, die Macht, weil er den Erdkreis erschüttert hat,
die Menschenfreundlichkeit, weil er den wankenden hielt:
er erschütterte, aber zerstörte nicht. Und weil er nicht
zerstören wollte, so sandte er das Erdbeben als einen
Boten seines Zorns, damit wir durch die Furcht gebessert
die Strafe abwenden". Andrerseits ist die Sünde nicht
ohne Busse geblieben, von deren Erfolg er an der andern
Stelle zeugt: „von oben kam der Zorn und von unten
eure Stimme; den von oben sich ergiessenden Zorn hat
dievon unten emporgesendcte Stimme abgewendet: die
Stadt erbebte wegen der Sünden der Habsucht, Unge-
rechtigkeit, Ueberhebung, Sinnenlust und Lüge der Reichen ;
sie stand wieder fest wegen der Psalmengesänge, Gebete
und Nachtwachen der Armen".
Eben so erklärt sich in der lateinischen Kirche Phi-
lastrius, Bischof von Brixen, ein älterer Zeitgenosse des
Chrysostomus (um 380) 3): dass im Erdbeben der Zorn
und die Macht Gottes sich zeige, der seine Schöpfung
bewege, auf dass viel Sünder zur Umkehr gerufen würden.
Zugleich spricht er aber nachdrücklich wider die sich aus,
welche die Ursache des Erdbebens nicht in den Willen
und Zorn Gottes, sondern in die Natur und die Elemente
setzten, ilneingedenk der vorher angeführten Schrift-
stellen: sie machten es wie gewisse eitle Philosophen,
Chrysostom. an dem S. 484. A. 3. angef. O. c. 2.
2) Ibid. c. l. p. 772. 773. c. S0 auch T. II. p. 719. a.
3) Philastr. Haeres. (III. p. 196. ed. Fabric.
775.
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