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herbeiführte, im J. 79 die erschreckten Umwohner „viele
grosse Männer zu sehen, alle menschliche Art überragend,
wie die Giganten gemalt werden, welche bald auf dem
Berge, bald in dem umliegenden Land und in den Städten
bei Tage und bei Nacht auf der Erde zu wandeln und
in der Luft zu schweben schienen"; auch in dem Rauch
des Berges sollten sich Gestalten derselben gezeigt haben;
ausserdem ward Trompetenruf gehört, und man glaubte,
die Giganten standen wieder auf 1).
Diese Mythen deuten die dreifache Erklärung des
Erdbebens aus Wasser (wivie Thales annahm) 2), Wind
oder Feuer an, von denen die mittlere, die das Erd-
beben aus der Wirkung eingeschlossener Luft ableitet,
durch Aristoteles 3) zu allgemeinerer Geltung gelangt ist.
Solche Erklärung der Naturkundigen hinderte aber
das Volk nicht, das Erdbeben, wie andere übermächtige
Naturerscheinungen, auf das Walten der Götter zurück-
zuführen nur war man vorkommenden Falls ungewiss,
welcher der Götter für den Urheber anzusehen sei. Daher
bei diesem Anlass die Römer, wenn es einer Sühne be-
durfte, das Opfer darbrachten si deo si deae4). Und im
christlichen Zeitalter geschah es häufig, dass die Heiden
in dem Wahn, die neue Religion sei gottlos und errege
den Zorn der Götter, aus diesem alle öffentlichen Un-
glücksfälle, namentlich auch das Erdbeben ableiteten, mithin
dieselben den Christen Schuld gaben, wie aus dem
römischen Nordafrica im J. 198 von Tertullian berichtet
wirdä): „erhebt sich etwa der Tiber gegen die Mauern,
1) Dio Cass. Hist. Rom. Lib. LXVI. c. 22. 23.
2) Plutarch. Placit. philos. Lib. III. c. 15.
a) AristoteLMeteor. Lib. II. 0.7. s. dazu Ideler T. I.p. 582 sqq.
4) Aul. Gel]. Noct. Attic. Lib. II. c. 28.
5) Tertullian. Apolog. c. 40. Vergl. Neander Kirchengesch.
2. Aufl. Abth. I. Bd. 1. S. 157.