468
Psalterium des H. Jahrhunderts zu Florenz 1) enthält zu
Anfang in einer rohen Federzeichnung den Erdkreis
mit den 4 Hauptwinden, die dann weiter in jene Zahl
von Winden abgetheilt werden. In diesen Fällen dienen
die Winde das Bild der Erde zu ergänzen, indem sie
die dieselbe umgehende bewegte Luft, überhaupt die At-
mosphäre andeuten. Viel umfassender ist eine merkwürdige
Federzeichnung in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts
zu Wien 2), in welcher mittelst der 12 Winde ein Bild
der ganzen Welt gegeben werden soll als Gegenbild des"
Menschen, der als eine Welt im Kleinen aufgefasst wird.
Der letztere Gedanke führt zurück auf die alterthümliche
Lehre von der Zusammensetzung des menschlichen Körpers
aus den 4 Elementen, die, wie wir früher (S. 90.) ge-
sehen haben, schon bei einem griechischen Kirchenlehrer
des 3. Jahrhunderts, dem Origenes sich lindet. Hiernach
hat Hieronymus diese ganze Stelle lateinisch in eine
Streitschrift um das J. 399 aufgenommen Nach dem
Vorgang aber der cappadocischen Kirchenlehrer aus der
2. Hälfte des 4. Jahrhunderts, welche von dem Menschen
den Ausdruck Mikrokosnzos brauchen 4), zeigt Ambrosius 5)
1) Bibl. Laurent. Plut. XVlI. cod. 3. Bl. 1. s. Bandini Catal.
cod. "lat. bibl. LaurentQT. I. p. 324. Es wird jedoch nicht aus-
drücklich bemerkt, ob die Winde auch hier personilicirt sind.
2) Cod. membr. in fol. Suppl. n. 372. Bl. 29. Diese Handschrift,
die unlängst erst nach Wien gekommen ist, enthält auf den
ersten Blättern Annalen bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts,
sodann chronologische und astronomische Tafeln und Aufsätze.
Die Nachweisung derselben verdanke ich Herrn Dr. Watten-
hach in Berlin; eine Durchzeichnung des gedachten Bildes den
Herren Birk und Camesina in Wien.
a) Hieronym. Lib. contr. Ioann. Jerosol. c. 25. Opp. T. II.
p. 431. e.
4) Suicer Thesaur. v. ymgöxoayog T. II. p. 369 sq".
5) Ambros. In hexaöm. Lib. VI. c. 9. S. 55. p. 135.