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Aquino 1) hat zu Matth. 1, 18. die Erklärung des Namens
Maria nach Hieronymus aufgenommen. Hiernach wird
auch in deutschen Liedern und Predigten dieser Zeit die
Maria unter diesem Namen angerufen und gefeiert. Zuerst
in einem Leich des 12. Jahrhunderts, der mit eben jenem
Gruss beginnt 2):
Ave, vil liehtiu marislstella
ein lieht der Kristinheit,
Maria, alre magede lucerna.
Desgleichen in einem Liede des Marners aus der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhundert 3):
Maria, meres lcitestern,
lllaria, in dcr vinsternis ein luter lieht lucern.
Erläutert wird der Name in einer deutschen Predigt des
14. Jahrhunderts zum Feste Mariä Geburt 4): „Sie wart euch
rechte geheizen Maria, wane Maria daz spricht zu latine
maris stella, zu dute ein meresterne: wane sie leitet uns
uz dem mere dirre werlde zu dem lande des ewigen libes,
als der mercsterne die schifman uz dem mere" 5).
Neben dieser allegorischen Deutung der Benennung
ergiebt sich nun aber eine natürliche Geltung derselben
durch Beziehung auf das St. Elmsfeuer, welche zu eben
der Zeit in der Legende sich nachweisen lässt. Im
1) Thom. Aq. Expos. in Malth.. I, 18. Opp. ed. Ven. T. III.
p. 18. col. 2.
2) v. d. Hagen Minues. Th. III. S. 467. Früher bei Wacker-
nagel Deutsches Leseb. 2. Ausg. I. S. 273., der v. 1. nach
Lachmann lieset: liehtir meris sterne.
a) v. d. Hagen Minnes. Th. II. S. 242. N0. XIII. Str. 1.
4) Deutsche Predigten des 13. u. 14. Jahrh. herausg. von Leyser,
in d. Bibl. der gesammten deutschen Nationallit. Bd. XI. Th. 2.
S. 102.
5) Eben so Konrad von Würzbur g Goldene Schmiede v. 139 ff.
(vergl. oben Th. I. S. 384.) Noch öfter wird sie als Meeresstern
oder überhaupt als Stern bei mitlellloühdeutschen Dichtern und Pro-
saisten bezeichnet, s. W. Grimm zur Goldenen Schmiede S. XLIV.